Von Cape Spear nach St. Barbe

 

Als wüsste das Wetter, dass nun alle ihre Sommerferien genießen wollen, legt es den Schalter um auf Dauerbestrahlung und das gleich für über drei Wochen.

Nachdem ich am Abend noch auf den Signal Hill gekurvt, ein Schwätzchen mit einem netten, jungen Zimbabwer gehalten, dem natürlich sofort mein Auto ins Auge gestochen war und mir das Stadtpanorama und die schöne Hafen Bucht von oben angeschaut habe, begebe ich mich am nächsten Tag zum Cape Spear, dem östlichsten Punkt des Nordamerikanischen Kontinents.

Ich besichtige das alte Lighthouse, früher war das hier ein einsamer Job, nur zweimal im Jahr wurde der Aufseher vom Wasser aus versorgt, doch die Aussicht, wenn es denn eine gab, war echt nicht schlecht.

Am Kap trifft man sowohl Touristen als auch jede Menge Einheimische. Der mit Abstand Schönste, der mir hier über den Weg läuft, ist Vierbeiner und der perfekte Repräsentant dieser Insel.

Ich gehe noch ein bisschen wandern auf dem East Coast Trail und bleibe dann grad dort über Nacht stehen wo ich bin.

Schon am frühen Morgen entdecke ich Blasfontänen auf dem Wasser, endlich, Wale. Sie sind relativ weit weg und ich beobachte sie mit dem Fernglas, als sie nah an die Küste kommen, lasse ich das Frühstück stehen und renne zum Klippenrand. Sie sind in Gruppen auf Krill Fang, welche Walart es genau ist, lässt sich nicht sagen, doch sie sind ziemlich groß.

Wale vom Ufer aus fotografieren war schon immer ein undankbares Geschäft, egal, zweieinhalb Stunden läuft die Show vor der Küste und kaum einer ist da..

Als ein Küstenwachschiff angedampft kommt, um unmittelbar vorm Kap die Asche ihres lang gedienten Kochs dem Meer zu übergeben, ziehen sie ab.

Über Holyrood fahre ich nach Cupids und Brigus, kleine nette Örtchen an der Küste.

Die Natur ist inzwischen voll erblüht, sowohl in den Gärten der Newfies, als auch überall sonst.

Brigus gefällt mir besonders und nach längerer Suche finde ich hier einen perfekten Übernachtungsplatz. Am nächsten Tag geht es zu Fuß zum weit draußen auf der Klippe thronenden Lighthouse, wo einen der Sturm fast aus den Latschen haut. Der Übernachtungsplatz ist zu perfekt um ihn zu verlassen, also bleibe ich.

Irgendwann begebe ich mich wieder auf den Trans Canada zurück in nördlicher Richtung und bin schnell wieder im Terra Nova National Park. Ich teile Karola und Hans meinen ungefähren Standort mit und tatsächlich finden sie mich am folgenden Abend an meiner bevorzugten Piste.

Die Nacht davor brachte Windstille und Hitze, mein Nacken ist derart zerstochen wie niemals zuvor. Irgendwann kapiere ich, dass es die Blackflies fast ausschließlich genau auf diese Stelle abgesehen haben, es wird Wochen dauern, bis ich diese Beulenpest wieder los bin.

Wir suchen andere Stellen zum Übernachten und genießen mal wieder das gute Internet hier.

Die Zwei wollen eine Straße nach Süden fahren, mich zieht es zum Gros Morne National Park im Westen.

Ich habe mir vorgenommen, praktisch alle Trails die man als Tageswanderung machen kann zu laufen, beginne morgens mit dem Trout River Pond Trail und fühle mich nach den vierzehn Kilometern gerade erst eingelaufen, also hänge ich noch die sechzehn Kilometer Rundkurs Green Gardens Trail dran, der sich wirklich lohnt, der Name ist Programm, man wandelt durch Hüft hohe Butterblumenwiesen. Am Abend beschließe ich jedoch, es die nächsten Tage etwas langsamer angehen zu lassen.

Die meisten Nationalparks in Canada oder den Staaten sind Naturräume, ohne das es dort Durchgangs Straßen oder Orte quasi innerhalb gibt, was mir auch viel lieber ist. Einen unschlagbaren Vorteil hat jedoch so eine Struktur wie im Gros Morne, man kann am Abend ohne weiteres den Park verlassen und sich außerhalb in einem der Örtchen oder an der Straße einen Übernachtungsplatz suchen und muss nicht auf einen der teuren Campingplätze innerhalb des Parks.

Den Höhepunkt meiner Wanderungen stellt die Besteigung des gut achthundert Meter hohen Gros Morne Mountain dar, fünfhundert Meter davon quält man sich steil über eine riesige Steinmoräne in die Höhe, bis man die tollen Ausblicke von oben genießen darf und damit auf dem Dach von Neufundland steht.

Leider herrscht Hochbewölkung und wirklich gute Bilder gelingen mir nicht.

In Lobster Cove Head, bei einem weiteren schönen Lighthouse, das eine nette kleine Ausstellung im Innern birgt, traue ich meinen Augen nicht, als ein schöner mit Aufklebern zu gepappter Hilux um die Ecke biegt, mein heimliches Traumauto wird von zwei Polen gelenkt die dort her kommen, wo ich irgendwann mal landen will, Südamerika. Somit sind sie die Ersten, die mir quasi entgegen kommen. Ihre Panamericana Fahrt dauerte vier Jahre und mit dem Dachzelt waren sie nicht immer glücklich.

In Norris Point finde ich mal wieder einen super Übernachtungsplatz in der Nähe einiger Bootsschuppen. Die Besitzer treffen sich jeden Tag zum reparieren und Angler Latein erzählen und stören sich überhaupt nicht an mir. Wie bei uns die Klein Gärtner Kolonien ist dies wohl sozusagen eine Klein Fischer Kolonie. Ich spüre irgendwie, dass ich hier länger bleiben werde. Als ich in Rocky Habour auch noch einen super Fischladen entdecke, die mein inzwischen heiß geliebtes Halibut Steak führen, ist die Sache perfekt.

Auf dem Rückweg vom shoppen passiert es dann. Nach einer der verhassten Bodenwellen macht es „Knack“, ich schaue nach hinten und sehe Reifen und Fahrrad in extremer Schieflage.

Nachdem ich mir die Sache angeschaut und festgestellt habe, dass tatsächlich der gesamte Arm der Ersatzradhalterung abgebrochen ist und nur die Arretierung das herunter fallen verhindert hat, fahre ich gegenüber auf ein leeres Grundstück, packe das Fahrrad aufs Dach und schaffe es, den Reifen mit einer meiner Ketten wieder in Position zu bringen, somit kann ich wenigstens erst mal weiter fahren. Das Ding ist neu und sechs Wochen in Gebrauch.

Die Tiefst Entspannungsphase, die mir der lange Aufenthalt auf dieser Insel mittlerweile beschert, ist so groß, dass es fast schon Meditation gleicht, somit stufe ich diese Sache als nicht der Aufregung wert ein und bin froh, dass das Fahrrad nicht unterm Reifen begraben wurde. Auch die schlechten Straßen, übersät mit Löchern und Bodenwellen die vom Frost stammen , sind nun mal nicht zu ändern.

Wie stets, wenn man sie braucht, sind sie zur Stelle. Der nette Klein Garten Fischer schreibt mir gleich vier Adressen von Schweißern auf. Das darf aber noch gern einen Tag warten, denn am nächsten Morgen besteige ich erst mal den Gros Morne.

Am übernächsten Tag lerne ich den Amerikaner John kennen. Er ist in der Nacht mit dem Rad angekommen, zeltet gegenüber in der Bucht und ist nicht der Erste, der fasziniert vor meinem Wagen steht und es als sein Traumauto tituliert. Es gibt in Nordamerika natürlich Toyotas, doch das Buschtaxi gibt es nicht.

In John entdecke ich eine der raren Begegnungen mit einem Menschen, der die selbe Sprache spricht, nicht im Sinne von Muttersprache, sondern von gleicher Wellenlänge.

Entsprechend viel reden wir und irgendwann, nachdem auch das Ersatzrad wieder dort fest hängt wo es hin gehört, verlassen wir Norris Point wehmütig in verschiedene Richtungen.

Am Western Brook Pont, im Norden des Parks, soll es eine Art Fjord a` la Norwegen geben. Für sämtliche Touristen Neufundlands ist es daher oberste Pflicht, diesen Ort aufzusuchen und sich auf eine der Bootstouren zu begeben.

Ich gehe auf den insgesamt vierzehn Kilometer langen Snug Habour Trail, der mit einer netten Flussdurchquerung beginnt, was mich an alte Trekking Zeiten erinnert und der in die selbe Richtung führt die das Boot einschlägt. Kein Mensch hält sich hier hinten auf, schade, dass ich mein Zelt nicht dabei habe.

Auch hier verhindert die Bewölkung, das ich mich über gute Fotos freuen kann. Als ich um acht Uhr zurück auf den Parkplatz latsche, ist der wie leer gefegt aber Wally hat nun schon die Fan Post an der Scheibe kleben und das von Jeep Fahren, ich sah ihn aber die Insassen nicht.

Ich haue mir erst mal mein bisher größtes Halibut Steak in die Pfanne und ein paar Meter weiter finde ich später einen Platz neben Wochenend Hüttchen direkt am Meer.

Nachdem ich hundert dreißig Kilometer Trails abgelatscht bin , erlaube ich mir ein kleines Ranking für alle, die sich hier her verirren:

 

Gros Morne Mountain, sechsezhn Kilometer Rundkurs, sechs bis acht Stunden, nichts für ungeübte ohne Kondition, hart aber herzlich, klasse Aussichten, nur bei Top Wetter angehen.

 

Green Gardens, sechzehn Kilometer Rundkurs, fünf bis sechs Stunden, im Uhrzeigersinn angehend gibt es auf dem Rückweg zwei Flussdurchquerungen und einiges an Auf und Abs, fantastische Küstenszenerie, wer es einfacher will, geht den selben Weg von der Küste zurück.

 

Snug Habour Trail, vierzehn Kilometer, Minimum vier Stunden, besser den ganzen Tag einplanen, relativ wenig begangen, für die Flussquerung Gummischuhe mit nehmen, Wasser reicht bis Oberschenkel, nicht bei Hochwasser queren.

 

Trout River Pond, vierzehn Kilometer, drei bis vier Stunden, flach, wenn man den Wald nach vier Kilometern hinter sich gelassen hat, gibt es tolle Aussichten und am Ende die obligatorischen Bear Chairs.

 

 

Bakers Brook Falls, zehn Kilometer, zwei bis drei Stunden, flach, schöne Wasserfälle.

 

In Port au Choix National Historic Site gibt es viereinhalb tausend Jahre alte Grabstätten der Archaic Indianer und anderer Stämme zu besichtigen bzw. zu erahnen, eine sehr schöne Ecke, die zum laufen einlädt, ein einsamer Karibou begleitet mich eine ganze Weile parallel.

Über St. Anthony, der größten Ansiedlung hier oben im Norden weit und breit, gibt es nicht viel zu sagen, außer, das auch hier die versprochenen Eisberge abwesend sind und Dan mich zum Tee einlädt um mir zu erzählen, das er vor kurzem einen ganz tollen gesehen hat.

 

L´Anse au Meadows ist ein weiteres Touristen Muss und das zu Recht. Handelt es sich doch um die ehemalige Heimat der ersten Europäer, die ihren Fuß auf Nordamerikanischen Boden setzten. Vor tausend Jahren landeten sie hier, die harten Jungs aus dem hohen Norden. Viele Brutalitäten sagt man ihnen nach aber sie hatten einen großen Einfallsreichtum was das überleben in unwirklichen Gegenden anbelangt, die alten Wikinger, diese Haudegen.

Das Grasssoden Haus erinnert natürlich an die, die ich in Island sah, innen hergerichtet wie es einst war, lebte es sich dort gar nicht schlecht und den Blick für einen guten und schönen Standort hatten die Kerle auch.

 

Zuerst wurden wir nicht so recht warm miteinander, Neufundland und ich. Doch je länger ich blieb, umso mehr übertrug sich die einmalig relaxte Atmosphäre der Insel und deren Bewohner auf mich, so dass es mir sehr schwer fällt, nach sechs Wochen das Ende meines Besuches einzuläuten.

Es gibt spektakulärere Gegenden in der Welt, dafür ist „the Rock“ soweit vom Massentourismus entfernt wie der Mond und keine andere hat mich in diese meditative Sorglosigkeit versetzt, die einen vollkommen zur Ruhe kommen lässt und den Blick weit und scharf macht.

Einen besseren Start für eine Reise wie diese gibt es für mich nicht, niemals im Leben, war ich entspannter als auf dieser Insel.