Nachdem ich auf dem Flughafen mein Fahrrad zusammen gebaut habe, schlängel ich mich ein kurzes Stück durch dichten Verkehr bis ich einen großzügig ausgebauten Fahrradweg erreiche der mich bis an den Strand bringt und vom Verkehr unbelästigt bis zu meinem Hostel in Hermosa Beach fahren kann, welches ich für zwei Nächte vorgebucht habe. Ich habe mal wieder ein Händchen für schlechtes Timing bewiesen denn heute ist der vierte Juli, Nationalfeiertag. Die Strände und Radwege sind überfüllt und auch Hermosa Beach und das Hostel platzen aus allen Nähten. Ich werde in ein Zimmer mit vier Jungs gesteckt, die aber sowieso die halbe Nacht am Strand verbringen und am folgenden Tag ausziehen. Abends gibt es ein riesen Feuerwerk am Strand, Partystimmung. Am übernächsten Tag begebe ich mich wieder auf diverse Radwege bis ich mein Quartier südlich von Hollywood erreiche.
Viel erwarte ich nicht für 15 Dollar die Nacht doch ich werde angenehm überrascht. Das Villen ähnliche Anwesen wartet mit Swimmingpool, guten neuen Betten und schnellem Wifi auf. Die Küchen sind zwar mies ausgestattet, doch man kann immerhin kochen. Eine interessante Mischung aus Möchtegern Schauspielern, Wohnungs suchenden Neuankömmlingen und frisch getrennten Frauen die einen Neustart versuchen hat sich hier versammelt. Die Woche wird kurzweilig und dann kann ich auf die andere Seite der Stadt mit der Metro fahren, um Wally wieder in Empfang zu nehmen. Ich steuer auf dem Weg aus der Stadt wieder meinen Stammplatz an, doch die Schranke ist geschlossen, keine Möglichkeit mehr dort hin zu gelangen, dann eben vor der Schranke. Über Barstow geht es weiter zum Mojave National Preserve, wo ich in der immerhin nur 35 Grad warmen Wüste übernachte. Tags darauf durchquere ich auf nur allzu bekannter Strecke einmal mehr vorbei an der Spielhölle Vegas Nevada und bin Nachmittags wieder mal in meiner zweiten Heimat Kanab, Utah. Am Morgen ist natürlich Wave Lotterie angesagt, immerhin sind es diesmal nur 50 Leute. Doch natürlich klappt es nicht, ich habe einen schönen Platz aufgetan und werde mal schauen, wie lang ich dieses Spiel noch durchhalte.
Nächster Morgen, es sind trotz Wochenende und Ferien nur 20 Leute anwesend, wenn es heute nicht klappt, gebe ich mir die Kugel. Ich erhalte die Nummer sieben, erst wird eine Gruppe von drei gezogen, dann ein Einzelner, dann noch ein Einzelner, noch fünf Plätze, die Nummer acht und neun fällt, noch ein Platz verbleibt, ich schaue nicht mehr hin, den Kopf in den Händen vergraben vernehme ich dann das Unglaubliche, Nummer SIEBEN. Wenn es einer verdient hat, dann ja wohl ich. Innerhalb von eineinhalb Jahren war ich viermal hier und nun beim insgesamt achten Versuch hat es geklappt. Das Gerücht geht um, sie wollen dieses Prozedre ganz abschaffen und komplett auf Online Lotterie umstellen, wer weiß, ob Vagabunden wie ich, die nicht wissen wo sie übermorgen sind dann noch eine Chance haben.
Da Regen angesagt ist, begebe ich mich auf schnellstem Wege zum mir bestens bekannten Stateline Campground bevor die Piste unter Umständen unpassierbar wird. Auf dem Weg dorthin gibt es gleich den ersten Steinschlag in die neue, frisch eingesetzte Scheibe.
Charlie, der hier für einige Zeit das Geschehen kontrolliert und fast jeden Tag den Weg zur Wave läuft, ist der einzige andere Camper. Mit seinen über siebzig Jahren macht ihm die gnadenlose Hitze im Sommer überhaupt nichts aus, im Gegenteil, im Winter würde er hier in der Kälte eingehen.
Am Morgen starte ich früh, Nachmittags sind Gewitter angesagt und die möchte man dort draußen ohne Schutz nicht erleben. Dank des Idioten sicheren Plans, den jeder Permit Inhaber ausgehändigt bekommt, gibt es kein Vertun und schnell stehe ich an der Wave.
Das Licht ist schlecht, die Sonne will nicht hervor kommen und die braucht man eigentlich für gute Fotos. Ich erkunde erst mal die Umgebung, die nicht minder spektakulär ist. Das Plateau darüber sieht äußerst verlockend aus aber von der Wave Seite gibt es kein hinauf kommen. Auf der anderen Seite werde ich fündig und finde einen der wenigen Einstiege auf das Top Rock Plateau. Als ich Nachmittags wieder bei der Wave bin, gibt es etwas Sonne und ich kann ein paar zufriedenstellende Bilder von dieser absolut spektakulären Gegend mit seinen fantastischen Formen und Farben schießen, Gewitter bleiben zum Glück aus. Nach zehn Stunden bin ich zurück am Parkplatz, habe jedoch nicht das Gefühl, schon alles gesehen zu haben.
Ich unterhalte mich am Abend lang mit Charlie, dem es auf seinen Patrouillen erlaubt ist, mehrere Leute mit zu nehmen. Dies kommt selten vor, da die meisten nach ein paar Stunden dort drin mehr als genug haben. Umso begeisterter ist er, als er merkt, das dies nur ein Spaziergang für mich war und schon steht die Einladung, ihn am nächsten Tag zu begleiten.
Auf Schleichwegen geht es Richtung Wave und die Gegend die ich gestern nicht mehr schaffte, entpuppt sich nicht überraschend als extrem attraktiv. Unterwegs erfahre ich, dass hier direkt am Trail, einen halben Kilometer von der Hauptpiste entfernt, vor nicht allzu langer Zeit ein Ehepaar verdurstet ist, nicht weit entfernt eine junge Frau und auch ganz in der Nähe, ein Fotograf im Dunkeln den Weg verloren hat und in den Buckskin Gulch tödlich abgestürzt ist, unglaublich und die Erklärung dafür, warum die Ranger den Aufwand täglich betreiben, um die Leute auf ihre Wanderung vorzubereiten. Leider fängt es Mittags an zu regnen und wir bekommen die Regenjacken auch nicht wieder ausgezogen. Macht nichts, zwei absolute Red Rock Fans hatten einen weiteren tollen Tag in der Traumkulisse Utahs.
Über Schleichwege geht es noch einmal nach Kanab und am nächsten Tag zum Pipe Spring National Monument, wo ich ein Camping Permit für den Tuweep Campingplatz ausgestellt bekomme, dann mache ich mich auf die knapp hundert Kilometer lange Piste die mich in das Grand Canyon Parashant National Monument führt. Hier, fast am Ende der Piste, treffe ich auf einen weiteren fitten Rentner der die Permits kontrolliert und sich nichts schöneres vorstellen kann, als bei vierzig Grad in dieser einsamen Gegend rum zu latschen. Tausende von engagierten Volunteers sind eine aus dem System des National Park Service nicht weg zu denkende Stütze, die einen massiven Beitrag für die National und sonstigen Parks, meist unentgeltlich leisten, inklusive einer hohen Zahl an fitten Rentnern, die in den abgelegensten Gegenden einen Posten auf Zeit bekleiden. Nun geht es die letzten Kilometer nur noch mit Allrad weiter bis ich den toll gelegenen Campingplatz fast am Rande des Rims und bereits im Grand Canyon National Park gelegen erreiche. Hier sprengt es nun locker die 40 Grad Marke und kein Schatten in Sicht. Einen Kilometer weiter erreiche ich den viele hundert Meter senkrecht abfallenden Canyonrand, unten sieht man den Colorado fließen. Da es hier weit und breit keine Lichtquellen gibt, werde ich in der Nacht mit einem fantastischen Sternenhimmel und einer toll sichtbaren Milchstraße belohnt.
Nach zwei Tagen geht es noch einmal auf meinen Lieblingsplatz bei Kanab, bevor ich die nächste Piste in Angriff nehme um erneut zu verschiedenen abgelegenen Aussichtspunkten am Canyonrand vorzudringen. Ich fahre diverse Plätze entlang des Rim an, wie Crazy Jug Point, Timp Point, Fire Point, alle im Kaibab National Forest gelegen, daher ist Camping, teilweise unmittelbar am Rim kein Problem. Der National Forest ist durchzogen von Pisten, hier kann man Wochen in Einsamkeit verbringen, es ist auf 2200 Metern kühler und Wälder wechseln sich mit offenen Blumen bestandenen Grasflächen ab, einfach himmlisch. Nach einer Woche stoße ich auf die asphaltierte Hauptverbindungs Strecke Richtung North Rim Visitor Centre die aufgrund der Höhe von 2500 Metern nur in den Sommermonaten geöffnet ist. Ich staune nicht schlecht, gleich hinter der National Park Grenze eine große Herde Bisons zu erblicken. Diese hat man 1950 außerhalb der Park Grenze wieder angesiedelt und die mittlerweile 400 Köpfe zählende Herde begann im Jahr 2000 hierher aufs Kaibab Plateau über zu siedeln. Ich verbringe eine weitere Woche in dieser Gegend, fahre alle Aussichtspunkte ab, gehe wandern, quatsche mit vielen netten Amis und genieße die gediegene Atmosphäre des alt eingesessenen Hotels direkt am Rim. Abends fahre ich raus und übernachte im herrlichen National Forest. Die Aussicht von hier auf den Canyon ist grandios, doch irgendwann komme ich drauf, wieso die Aussicht vom South Rim noch spektakulärer ist. Vom Nord Rim schaut man zunächst einmal auf diverse erodierte Formationen, das Rim liegt bedingt durch die größere Erosion verursacht durch mehr Feuchtigkeit, einige Kilometer weiter vom Colorado entfernt als das South Rim. Von Süden genießt man den Blick deutlich näher am Canyonrand und hat den besseren, uneingeschränkten Blick auf die Nordseite. Ich fahre zu meinem alten Platz in Page und verbringe zwei Tage in der runter gekühlten Bücherei. Draußen steht ein alter Landrover Camper aus Südafrika neben Wally, so was sieht man heute noch selten, ein richtiges Traveller Auto, keine aufgemotzte, perfekte Karre die nie den Asphalt verlässt. Wer die Besitzer sind, finde ich hier nicht heraus aber später in Flagstaff treffe ich sie doch noch. Am Morgen fängt es an zu regnen und meine Augen werden immer größer, als ich kurz darauf das Wasser entlang der neu eingesetzten Scheibe ins Wageninnere fließen sehe. Es regnet den ganzen Tag weiter, auf der Fahrt Richtung Flagstaff wringe ich nasse Tücher aus und meine ganze relaxte Stimmung der letzten tollen Wochen ist schlagartig dahin. Ich bekomme unterwegs den nicht wieder richtig angebrachten Scheibenwischer Arm selbst repariert, nahe Flagstaff finde ich einen Platz im National Forest und stehe nach dem Wochenende bei einem Scheiben Reparatur Service auf der Matte. Die schmieren von Außen was drauf, da sie die Scheibe nicht raus nehmen wollen wegen dem neuen Steinschlag. Es wird besser, was ich gut kontrollieren kann, da in Flagstaff regelmäßig Gewitter nieder gehen aber dicht ist ganz was anderes. Am Tag darauf stehe ich bei Toyota auf der Matte. Sie könnten nicht netter sein aber auch sie weigern sich, die Scheibe raus zu nehmen und von Innen abzudichten, zu groß sei das Risiko, dass sie kaputt geht. Zwei Tage bin ich dort Stammgast, es wird Silikon von Außen verschmiert bis es endlich dicht zu sein scheint. Toyota Flagstaff war richtig klasse und hat noch nicht mal was berechnet. Mittlerweile hat mir Hans noch einmal die gesamte Scheiben Problematik haarklein auseinander gesetzt, nachdem ich ihm eine frustrierte Mail geschickt habe, nun weiß ich Bescheid, danke nochmal dafür Hans!
Die Stadt ist klasse, um noch so einiges vor der Grenzüberschreitung zu erledigen und Wally bekommt noch einen guten Ölwechsel und die Reifen rotiert, Claudia deckt sich im Bio Laden ein. Über Tombstone und die alte Minenstadt Bisbee nähere ich mich der mexikanischen Grenze, doch vorher löst sich mal wieder der Auspuff den ich im letzt möglichen Kaff sehr gut angeschweißt bekomme, eine unendliche Story. Im kleinen Naco wechsel ich zu den Mexikanern, ein weiteres fantastisches halbes US Jahr mit sehr stressigem Abschluss findet sein Ende.