Vom Grenzübergang in Naco fahre ich Richtung Agua Pieta um mich dann in südlicher Richtung auf die 17 zu begeben. Anders als befürchtet, stellt sich diese Straße als sehr angenehm mit wenig Verkehr, schöner Landschaft und gutem Asphalt dar. Da ich aufgrund der all gegenwärtigen Zäune keine Chance habe einen Nachtplatz zu finden, stelle ich mich in einem kleinen Kaff auf den großzügigen Parkplatz der Pemex Tankstelle und verbringe eine angenehme Nacht. Dies wird auch an vielen weiteren Tagen auf der Reise nach Süden mein Schicksal werden.
Auf der 117 gibt es praktisch gar keinen Auto Verkehr mehr und die Strecke schlängelt sich durch herrlich grüne, bergige, einsame Landschaft, die zweite Hälfte bis zur Einmündung der Straße die von Hermosillo kommt, gibt es nur noch löchrigen Belag.
Am nächsten Tag erreiche ich die Baseachic Fälle, sehr schön und fotogen in den Bergen und der tollen Umgebung gelegen.
Die Strecke nach San Juanito durch die Berge ist wieder herrlich und entgegen meiner Annahme komplett asphaltiert, allerdings zeigen sich auch hier Auflösungserscheinungen.
In Creel, einem kleinen Örtchen das als Sprungbrett in die Barranca del Cobre, eine der größten und tiefsten Schluchten der Welt dient, kann ich am Hotel Villa Mexicana campen. Am nächsten Tag geht es Richtung Schlucht die ich von hier bis Urique, einem Ort im Canyon befahren will. Die Strecke zieht sich und ich habe die Fahrerei bald mal satt, die Aussicht auf weitere Tage Kurverei erbaut mich überhaupt nicht, ich drehe um und campiere eine weitere Nacht am Hotel wo ich die ersten Selbstfahrer aus Südamerika kommend treffe. Schlappe acht Monate von Buenos Aires bis hierher und sie finden das noch nicht mal stressig. Die Estländer berichten mir, dass sie gerade aus dem Canyon kommen, von der anderen Seite, die ich natürlich auch schon ins Auge gefasst hatte. Kein Problem, die ehemalige Piste ist nun zu 95 Prozent asphaltiert, allerdings hätten oben und unten Sechzehnjährige mit Gewehren rum hantiert. Hört sich trotzdem o.k. an, mir ist nicht bekannt, dass dort in letzter Zeit Touristen umgelegt wurden und so nehme ich die Strecke am kommenden Tag unter die Räder. Da hier Drogen angebaut werden und ich jeden Moment irgendwo bewaffnete Typen erwarte, lasse ich das lieber mit der Video Kamera am Auto und begnüge mich mit der atemberaubenden Aussicht und der tollen kurvigen Fahrt immer tiefer in den Canyon hinein. Was mir hier wirklich Angst macht, ist der Steinschlag der sich nach dem nachmittäglichen Regen besonders bemerkbar macht. Schaut man die Berge rauf und auf die losen teils riesigen Gesteinsbrocken die jeden Moment abgehen können, wird einem ganz anders. Mehrfach fallen unmittelbar vor mir kleinere auf die Straße, weiter unten bin ich zum Glück zwei Sekunden zu spät dran, ansonsten bräuchte ich mir über Scheibendichtigkeit oder vielleicht um mein Dachfenster oder das Solar Panel nun keine Gedanken mehr machen. Ich gebe Gas und will nur noch raus hier. Ich fahre durch die engen Straßen von Batopilas, 1800 Meter tief im Canyon gelegen, welches irgendwie merkwürdig anmutet. Hier leben ganz normale Menschen inklusive der hier seit Ewigkeiten ansässigen Tarahumara Indianer, jedoch sehe ich auch Typen die hier definitiv nicht hin passen, zu groß das Handy, zu neu der Geländewagen, zu weiß das Hemd.
Ich stelle mich für die Nacht an den Fluss am Rande des Ortes und werde außer durch ein paar Kühe und Esel nicht gestört. Am Morgen trete ich den Rückweg ohne Zwischenfälle und mit montierter Kamera an, ich gehe davon aus, dass die Gewehrschwenker wieder irgendwo im Klassenzimmer sitzen, jedenfalls sehe ich an beiden Tagen keinen davon. Die Strecke ist bis auf ein paar Kilometer und die noch nicht ganz fertig gestellte Brücke asphaltiert jedoch aufgrund fehlender Wartung und permanenten Erdrutschen und Steinschlag größtenteils nur einspurig befahrbar was der tollen, spektakulären Streckenführung natürlich keinen Abbruch tut.
Die nächsten Tage arbeite ich mich weiter durch die Berge und durch Rancholand, einmal gelingt es mir einen guten Platz in der Wüste zu finden doch der generelle Mangel an nicht eingezäuntem Land macht mir zu schaffen und zwingt mich schneller zu fahren als mir lieb ist. In den Orten wäre es kein Problem an den mehr oder wenigen schönen Plazas, dem zentralen Platz den jedes Kaff hat zu stehen, aber das ist nicht so mein Ding auch wenn ich über eine Not Toilette verfüge.
Die Topes, Geschwindigkeits Reduzierer aus Beton in verschiedenen Formen, mal gekennzeichnet, mal nicht, machen mir das Leben schwer und ich lerne sie schnell zu hassen und zu verfluchen. Es gibt breite rundliche die noch gehen, da man langsam darüber gleiten kann. Die kurzen, höheren sind auf Dauer der Tod jedes Fahrwerks, vor allem, wenn man sie übersieht, was sowohl Einheimischen als auch Reisenden passiert. Jedes kleine Kaff hat gefühlte zwanzig Stück. Abbremsen, kuppeln, runter schalten, vielleicht geht es im zweiten, nee, meistens muss man in den ersten, Gas geben, ist man grad wieder im dritten Gang, geht das Spielchen von vorn los. Von der Umgebung bekomme ich kaum was mit, da ich permanent auf die Straße starren muss. Ich lerne, auch den Gegenverkehr bzw. den Vordermann, wenn denn einer da ist zu beobachten, denn wenn der hüpft, weiß ich was kommt. Das einzig Gute an den Dingern ist, das sie vermutlich schon unzähligen Menschen das Leben gerettet haben denn der Mexikaner an sich pflegt einen eher anarchistischen Fahrstil mit dem ich zwar super klar komme so lang mir keiner auf meiner Seite entgegen gerast kommt, allerdings werden
Geschwindigkeitsbeschränkungen und Überholverbote komplett ignoriert es sei denn, sie wähnen Gesetzeshüter in der Nähe.
So arbeite ich mich weiter nach Zacatecas durch, Silberstadt mit historischem Zentrum welches im frühen 18.Jahrhundert über zwanzig Prozent des Silbers im Land zu Tage förderte. Hier findet an diesem Wochenende eines der großen Feste des Jahres mit über 2000 Teilnehmern statt. Ich stehe sehr schön auf dem überteuerten Platz des feinen Hotel Baruk mit Blick auf die Stadt und besuche das Museo Rafael Coronel welches über eine gigantische Maskensammlung verfügt, Tausende sind ausgestellt und weitere Tausende sind eingelagert. Ein paar Tage später lande ich in San Miguel de Allende, ein netter Ort auf 2000 Höhenmetern, sehr beliebt als Wohnsitz bei Amis und Kanadiern und entsprechend heraus geputzt. Auf dem Campingplatz von Hans, der aber augenscheinlich Mexikaner ist, bekomme ich Rabatt wenn ich eine Woche buche und da auf dem beliebten Traveller Treffpunkt nichts los ist, ist das gebongt. Ich vertreibe mir die Zeit mit nichts tun, dem guten Internet, Überlegungen was ich mit der ganzen Zeit bis Januar wenn ich in Cancun sein muss noch so anstelle und ab und zu ein Schwätzchen mit den einzigen anderen Campern auf dem Platz halten. Bärbel und Joachim aus Heilbronn haben sich hier häuslich eingerichtet und das seit sechs Jahren.
Es ist einfach so, dass ich meinen Vorlieben und Abneigungen immer mehr Tribut zollen muss. Da ich weder Lust habe, wochenlang an der Küste am Strand rum zu hängen, noch mir jedes historische Zentrum auf dem Weg nach Süden erschließen will da die für mich irgendwann alle gleich aussehen und mir der Lärm, die Autoabgase und die Topes auf die Nerven gehen. Außerdem leide ich unter Bewegungsmangel und der Unkenntnis der spanischen Sprache. Von meiner generellen Abneigung gegen Campingplätze will ich gar nicht reden.
Ich buche einen Direktflug von Mexiko City nach Deutschland und zurück, kann den Wagen bei Hans stehen lassen und steige in die super komfortablen Busse von Primero, die mich in drei Stunden direkt zum Flughafen bringen.
Die zwei Monate in Deutschland sind eine gute Entscheidung, ich renne in der Gegend rum, versuche gleichzeitig meine Gehirnzellen und Beine zu aktivieren und den Stoff den mir meine Spanisch Lehrerin hinschmeißt zu verdauen.
Ein Grundgerüst ist somit geschaffen und ich schaue bereits jetzt wesentlich entspannter auf meine kommenden Jahre im vornehmlich Spanischsprachigen Teil der Welt.
Nach meiner Landung in Mexiko City bietet es sich natürlich an, sich diese auch in Ruhe anzusehen. Mein vor gebuchtes Mittelklasse Hotel erweist sich als ideal und sogar ruhig mitten im Zentrum und ich empfinde die 25 Millionen Stadt überhaupt nicht als Horror, sogar ein sehr gut benutzbares U Bahn System haben sie und das Anthropologische Museum ist sehenswert. Wenn sich das Volk allerdings am Nachmittag und in den Abendstunden auf Vergnügungstour begibt und sich unübersichtliche Menschenmassen über die Straßen wälzen, wird es Zeit für mich, ins Hotel zurück zukehren.
Wally hat geduldig auf mich gewartet und der Platz ist mittlerweile gut gefüllt.
Tula de Allende war das Zentrum der Tolteken und es gibt viereinhalb Meter hohe Steinfiguren toltekischer Krieger zu besichtigen, anschließend begebe ich mich in die Berge zum kleinen aber feinen Nationalpark El Chico wo ich in Zweitausend Metern Höhe zwei schöne Nächte verbringe und gleichzeitig den Tag des Fahrverbots für die Nummer 8 als Kennzeichen Endziffer im Großraum Mexiko Stadt aussitze.
Weiter geht es zu den berühmten Pyramiden von Teotihuacan und die Campingplatzbesitzern warnt mich gleich, dass es laut werden könnte. Eine neue Form von nie gekanntem Lärm lerne ich hier kennen. Es werden Feuerwerkskörper gezündet die sich anhören wie explodierende Bomben und ich zucke bei jedem Knall zusammen. So geht das bis spät am Abend und morgens um vier wird sichergestellt, dass auch keiner verschläft. Diese Dinger sind abartig, für mich erfüllt das den Tatbestand der Körperverletzung.
Die große Anlage, eine der bedeutensten unter den prähistorischen Ruinenstädten Amerikas war schon im sechsten Jahrhundert vor Christus besiedelt und besticht vor allem durch seine riesige Stufenpyramide die man auch besteigen kann. Zu ihrer Hoch Zeit soll die Anlage von bis zu zweihunderttausend Menschen bewohnt worden sein und war damit eine der größten Städte der Welt.
Mit einem Bogen um Mexiko City begebe ich mich Richtung Puebla und biege dann auf die Piste in Richtung Paso de Cortez ab. Am Pass auf 3500 Metern befindet sich ein Besucherzentrum und ich darf auf dem großen Parkplatz übernachten. Am Abend lässt sich der Popocatepetl mit seinen über 5400 Metern endlich sehen und auf der anderen Seite blickt man auf das Massiv des nicht mehr aktiven Iztaccihuatl, eine tolle Kulisse. Ich bleibe zwei Nächte die gerade über dem Gefrierpunkt bleiben und gehe wandern.
Weiter geht es stramm südwärts und ich treffe ein paar Tage später in Maria del Tule südlich von Oaxaca ein, nachdem ich noch die kleinere Anlage von Monte Alban in der Nähe besichtigt habe. Hier in Tule soll es den größten Baum der Welt geben, tatsächlich ist der neben der niedlichen Kirche stehende Riese unglaublich ausladend.
Calvin und Leanne aus Kanada betreiben hier einen ganz kleinen Stellplatz für Reisende auf ihrem Grundstück und die vier bis fünf Stellplätze sind äußerst begehrt, so dass man gut daran tut, sich vorher anzumelden. Sie haben ein sauberes Badezimmer mit guter Dusche und schnelles Wifi, erfüllen damit zwei der drei begehrtesten Kriterien für Reisende. Es hat sich eine internationale Truppe eingefunden und somit gibt es den ein oder anderen netten Abend. Calvin ist ein echter Sonnenschein und Allroundtalent mit guten Kontakten. So kommt es, dass ohne größere Umstände meine Fahrertür auf dem Autodach eines Schweißers landet und endlich das tiefe Rostloch bearbeitet wird, zwei Tage später habe ich sie deutlich besser aussehend zurück.
Oaxaca gefällt mir ausgesprochen gut, viel besser als San Miguel de Allende. Sonntags scheint so eine Art Segnung kleinerer Kinder in der Kirche statt zu finden, was zu einigen netten Beobachtungen und Fotos führt. Natürlich gibt es ein entsprechendes Rahmenprogramm mit großem Essensangebot und Souvenir Ständen was gleich auf vier Tage ausgedehnt wird. Leider muss man sich auch in Tule den unsinnigen Lärm dieser Bomben anhören, trotzdem kommen am Ende acht Tage zusammen bis ich meinen Weg nach Süden wieder aufnehme um weiter über gefühlte eine Million Topes zu hoppeln.