Es geht immer Nordwärts, in Coleman wird erstmal der leere Kühlschrank aufgefüllt, dann biege ich in die Foresty Trunk Road ein, eine Schotterstraße, an der glückliche Rinder ihre Freiheit genießen und die unter einheimischen Campern offenbar sehr beliebt ist. Es ist mächtig frisch und man könnte locker eine kleine Schneeballschlacht veranstalten. Hier gibt es zuhauf gute Plätze und trotz der kalten Witterung sind noch reichlich Einheimische unterwegs. Zu meinen Ärger muss ich feststellen, dass der nördliche Teil sowie auch die 40 wegen Bauarbeiten gesperrt sind. Da ich es nicht glauben will, fahre ich die Foresty Trunk einfach weiter bis ich fast den Allrad zuschalten muss, dann werde ich von Bauarbeitern gestoppt, die mir klar machen, das hier Schluss ist, o.k., zumindest kann ich mich überzeugen, dass sie tatsächlich schwer am wühlen sind, muss ja auch mal sein.
Ich muss also zurück und biege auf die parallel verlaufende 22, wo ich von einer Brücke unten einen gelben MAN stehen sehe, den ich schon mal gesehen habe, nämlich im Hamburger Hafen. Also nix wie runter und nun lerne ich auch die netten Besitzer Vivien und Holger kennen. Unsere Autos waren also tatsächlich auf dem gleichen Kahn nach Halifax. Sie waren schon bis zum Yukon hoch, wollen bald in die USA und auch bis Südamerika. Leider sind sie doch um einiges schneller, so dass wir uns wahrscheinlich nicht mehr sehen.
Ich biege an diesem Nachmittag in die 532 , mit der Hoffnung auf einen schönen, ruhigen Übernachtungsplatz. Volltreffer, hier hat man, um das Ganze ein wenig mehr unter Kontrolle zu halten, bestimmte Plätze ausgewiesen auf denen man sich kostenlos niederlassen darf. Es ist um einiges milder und die Sonne brennt, so dass ich noch zwei Stunden im Liegestuhl zubringen kann. Da Wochenende naht, trudeln noch einige Einheimische ein und viele laden ihre Quads vom Hänger, für mich die Pest der Neuzeit. Einige haben sogar kleine Hängerchen dahinter um ihre Ausrüstung zu transportieren und womöglich den abgeknallten Elch drauf zu laden. Es gibt aber auch viele, die mit Pferdetransportern kommen. Das Kananaskis Country bietet für alle etwas. Am nächsten Morgen besuche ich die Bar U Ranch, eine ehemalige große Working Ranch, die mittlerweile ein National Historic Site ist. Es gibt interessante Details, vor allem die über das gute Prärie Gras, welches die Bisonherden früher über den Winter brachte und später die Gegend als eine der besten für Ranches machte, waren mir nicht bekannt.
Zurück auf der 22 umfahre ich Calgary linker Hand um auf dem Trans Canada der voll als Autobahn ausgebaut ist, flott bis nach Canmore zu gelangen. In einer Stunde sind die Städter hier, die vielen Neubauten im sogenannten Resort Stil zeugen davon, dass sich der Ort einiger Beliebtheit erfreut.
Die Lage mit den Bergen drum herum ist umwerfend, eine ruhige Seitenstraße abseits des Verkehrs und den lauten Bahnschienen schnell gefunden.
Da ich von Süden wegen der Straßensperre nicht hin kam, versuche ich nun von hier in die Provincial Parks auf der Schotterstraße vorzudringen, was auch gelingt. Ein Provincial Park geht in den nächsten über, sie sind kostenfrei. Die Szenerie im Nachmittagslicht ist hier oben mal wieder fantastisch, da ich laufen will, gönne ich mir einen der schönen Plätze im Peter Loughead Provincial Park, dieser hier hat leider keine Dusche aber die meisten anderen sind schon geschlossen und dreiundzwanzig Dollar ist geradezu erschwinglich. Dies ist der erste Platz, für den ich seit Halifax bezahle. Das Wetter schlägt leider auf nasskalt um und auf über zweitausend Metern fahre ich durch Schneetreiben.
Ich begebe mich die paar Kilometer nach Banff und bewege mich ab jetzt auf für mich historischem Boden, war ich doch auf meiner ersten Canada Reise vor zweiundzwanzig Jahren schon hier. Der Ortskern selbst hat sich nicht viel verändert, alles liegt schon innerhalb des National Parks, somit unterliegt die Bauerrei Beschränkungen aber klar, Unterkünfte sind neu entstanden um die Millionen von Besuchern unterzubringen, läuft unter Strukturverbesserung. Die Umgebung ist immer noch herrlich und hat einige gute Fahrradtrails zu bieten mit denen ich mich näher befassen will. Direkt hinterm Kasten des Fairmont Banff Springs Hotel geht es los, die CP Railway hat alle ihre schönen alt ehrwürdigen Hotels an die Fairmont Gruppe verscherbelt, wie ich feststelle.
Weiter geht es nach Lake Louise, ein Punkt, der auf der Liste vor allem jedes Asiaten ab zuhaken ist. Der nette Mensch im Outdoorladen von Banff hatte einen guten Tipp, wo ich meine neuen Wanderschuhe einlaufen kann. Somit begebe ich mich sofort hinauf zum Moraine Lake, bis mich ein Schild stoppt mit dem Hinweis, das man wegen der Grizzlys minimum in Vierergruppen laufen muss. Zwei Amis warten schon, somit warten wir nun zu Dritt auf weiteren Zulauf. Eine Dreiergruppe kommt und legt gleich gut Tempo vor. Das hält zehn Minuten, dann ist die erste ausgiebige Pause mit schwätzen fällig. Nix für mich, ich sage, dass ich schon mal die Grizzlys verscheuche und weg. Im Laufe des Aufstiegs überhole ich weitere sieben Gruppen, danach zähle ich nicht mehr. Der Bär, der sich hier her traut, muss echt eine Klatsche haben. Jedoch kann es durchaus passieren, dass er sich an die Anwesenheit von Menschen in seinem Revier gewöhnt und die natürliche Scheu verliert.
Nichts desto Trotz, der Tipp war gut. Als ich oben bin, bietet sich mal wieder ein fantastisches XXL Panorama, die gelb gefärbten Lärchen sind herrlich und man kann noch höher. Ein Stündchen später, die Schar hat sich merklich ausgedünnt, und mit viel Rutscherei über teils vereisten Schnee, stehe ich auf dem Sentinel Pass mit zweitausend sechshundert Metern, einfach toll.
Am nächsten Tag geht es hinauf zum Lake Agnes, weiter über Little Behieve mit Blick auf das Tal und Fairmont Hotel am Lake Louise. So oft man es auch betrachtet, es ist und bleibt ein hässlicher Kasten. Von hier kann man auch schön den neuen Großparkplatz sehen, der im Sommer sicher noch nicht reicht, Strukturverbesserung. Über einen kleinen Pass geht es zum Big Behieve, dann Abstieg auf den Highline Trail zum Plain of six Glaciers Teahouse, welches an europäische Hütten erinnert, wurde tatsächlich von Schweizern, die hier früher als Bergführer angeheuert wurden, eingerichtet, und serviert heute noch alles, was der Wanderer so braucht. Dann geht es noch eineinhalb Kilometer zum Aussichtspunkt auf den Gletscher oder das, was davon übrig ist. Auch das war ein schöner, langer Tag, wenn auch nicht ganz einsam aber das kann man hier einfach nicht erwarten.
Als ich über den Campingplatz für die Zelter in Lake Louise latsche, fällt mir auf, das die den Platz massiv mit Elektrozaun eingezäunt haben, so was kenne ich nur vom südlichen Afrika, um die Menschen vor den wilden Tieren zu schützen bzw. umgekehrt und habe das hier noch nirgends gesehen.
Auf dem weiteren Weg erwartet mich wie die ganze Zeit schon, sehr gemischtes Wetter, die Sonne habe ich lang nicht mehr richtig scheinen sehen. Als ich vom Spaziergang zum netten Mystaya Canyon zurück komme, sitzen zwei fette Raben auf meinem Fahrradsattel und hacken drauf rum, ein schönes großes Loch ist schon drin, selbst Schuld.
Ich biege auf den David Thomson Highway nach Osten ab und gelange schnell an den Abraham Lake außerhalb des Parks. Auch in diesem Gebiet ist wild rum stehen ausdrücklich erlaubt. Ich stelle mich an den See, genieße die tolle Szenerie und sehe sogar noch die Sonne.
Am Morgen klopft mein einziger Nachbar an die Tür und lädt mich zum Kaffee ein. Ich habe da doch was gehört, nun sehe ich den Monster Generator der die halbe Fläche des Pick up einnimmt. In Lee`s Trailer kann man allein im Wohnbereich locker eine ganze Gymnastik Gruppe unterbringen oder auch eine Sauna eröffnen, bin ich nicht mehr gewohnt, hat ja bloß um die null Grad.
Lee ist echt nett, ein Studierter, der aber sein Geld damit verdient, Öl Pipelines zu schweißen. Dies ist ein sehr anspruchsvoller Job wofür man auch Talent braucht. Die Öl Gesellschaften nehmen nur die Besten und Lee gehört offensichtlich dazu. Als er mir erzählt was er verdient, bleibt mir die Spucke weg. Umgerechnet Tausend Euro pro Tag ist unterste Grenze, meistens mehr, plus Zulagen versteht sich. Er arbeitet nur im Sommer und lässt es sich sonst gut gehen.
Ich begebe mich zurück in den Park und zum Columbia Icefield. Irgendwas ist hier komisch, ganz anders als vor zweiundzwanzig Jahren. Damals konnte man fast unmittelbar vorm Gletscher parken und wohin ist der jetzt? Man muss nun erst eine große Moräne überwinden und dann sehe ich ein Schild, bis wo der Gletscher noch 1992 ging, Wahnsinn, wie er sich in der Zwischenzeit zurück gezogen hat.
Das riesen Discovery Centre hat offensichtlich nur den einen Zweck, nämlich den Asiaten das Geld aus der Tasche zu ziehen und einen möglichst flotten Übergang vom Bus auf den Ice Explorer zu ermöglichen, der sie dann auf den Gletscher karrt, die Kanadier haben es raus, die vollendete Form des organisierten Massentourismus. Die beiden großen Pelztierchen im Foyer sind dann sicher froh, wenn sie abends mal wieder allein sind.
Jasper ist auch noch immer nett, irgendwie gewachsener und nicht so modern wie Banff. Hier kommen längst nicht so viele Touristen her, einfach entspannt. Das Tal ist offener aber nicht so spektakulär wie die Konkurrenz südlich. Zum Radl fahren echt schön.
Hier ist für mich der Umkehrpunkt, ich finde auf dem Rückweg noch einige sehr schöne Bike Trails, kein Mensch weit und breit. Wir haben Oktober und die Hochsaison ist definitiv vorbei. Das Wetter bessert sich und ich gehe auf den kurzen Trail der Parker Ridge, kurz hinter dem Columbia Icefield. Ich sinke teils in knietiefen Pulverschnee, der Blick auf die andere Seite ist herrlich und das erste Mal nach über zwanzig Jahren, kommt so richtig Lust auf, mal wieder auf die Ski zu steigen.
Diese Nacht ist sternenklar und es wird richtig knackig, minus sieben Grad, drinnen wie draußen.
In Lake Louise, welches im Prinzip nur aus einer kleinen Ansammlung mehr oder weniger wichtiger Shops besteht, stehe ich nochmal einige Nächte auf dem Overflow Parkplatz außerhalb direkt am Highway Richtung Banff, fahre wieder zum Moraine Lake hoch und laufe einen andern Trail. Zu diesem Pass schaffe ich es leider nicht mehr, da keine Spuren den Weg weisen und man sofort knietief im Schnee versinkt. Auch hier kann man morgens jetzt schon mal ins frösteln geraten sofern die Nacht klar ist, minus sechs. Mir ist das wurscht, mit einer heißen Wärmflasche und meinem beleuchteten E-Book bin ich abends auf der sicheren Seite. Morgens muss ich halt auf mein Gesichtsöl verzichten und heißen Tee trinken.
Trotz Massentourismus, rasenden Bussen und nicht minder rasenden Touristen, man sollte den Icefield Parkway in Icefield Speedway umbenennen, ist und bleibt es eine fantastische Gegend die bei schönem Wetter einfach umwerfend ist. Der Weg zurück bot bei Sonnenschein wieder ganz andere, herrliche Perspektiven auf die Berge.
Nach zwei Wochen zwischen Canmore und Jasper, verabschiede ich mich Richtung Westen und betrete bald darauf British Columbia.