Den Grenzposten mitten auf dem einsamen Top of the World Highway den die Amis sich mit den Kanadiern teilen, habe ich in guter, heißt unproblematischer Erinnerung aber das ist lange her. Die Dame am Fenster fragt, wie lang ich bleiben will, ein halbes Jahr, der Weg zur mexikanischen Grenze ist lang.
Nachdem ich wieder mal reichlich Fingerabdrücke da gelassen habe und das halbe Jahr im Pass ist, unterhalten wir uns noch nett, so was gibt es also auch noch.
Zwanzig Minuten später kommt John schon an gelatscht, Rucksack ins Auto und ab nach Chicken, einem winzigen Kaff wo Touries versuchen Gold zu waschen und auf einem der trostlosen Campingplätze übernachten können.
Kurz dahinter finden wir einen netten Platz am Fluss, die Mücken halten sich in Grenzen und am Morgen werden wir Zeuge einer dramatischen Fluss Überquerung. Die große Elch Kuh hat ein noch sehr kleines Junges bei Fuß und stürzt sich damit am gegenüber liegenden Ufer in die Fluten um unsere Seite zu erreichen. Doch die schnelle Strömung erfasst das Kleine das instinktiv versucht,sich unmittelbar neben der Mutter zu halten was nicht gelingt. Gebannt und angstvoll müssen wir mit ansehen, wie es direkt auf den Brückenpfosten zu treibt. Knapp verfehlt, Mutter holt es ein und gemeinsam besteigen sie wieder das Ufer, leider auf der falschen Seite. Zehn Minuten später stürzen sie sich erneut in die Fluten, wieder treibt das Kleine ab aber Mutter bleibt cool, holt es ein und beide erreichen das Ufer auf der richtigen Seite, wir atmen auf.
Über Tok geht es weiter über den Tok Cut off entlang der Grenze der riesigen Wrangell Saint Elias Wildnis, wir erhaschen schöne Blicke auf die hohen Berge und Gletscher. In Glenallen biegen wir nach Valdez ab, schauen im Info Centre des Parks vorbei, in der Hoffnung, kompetente Routenvorschläge für diese Weglose Wildnis zu erhalten doch Fehlanzeige, hier dealt man offensichtlich nur mit nicht zu Fuß Volk, wir bekommen ein paar Nummern von Back Country Rangern in die Hand gedrückt, frustrierend, dabei handelt es sich hier um den größten National Park des Landes.
In Valdez, wo auch die 1270 km lange Ölpipeline von Pudhoe Bay kommend endet, wollen wir erst mal bleiben, übernachten mal hier mal dort, freuen uns, wieder schnelles Internet zu haben und planen eine kleine Packrafting Tour.
Die Rucksäcke sind gepackt, wir stehen am Ende einer durch ein Eisfeld versperrten Sackgasse, es ist zehn Uhr abends, die Türen geschlossen, ich liege oben im Halbschlaf, John sitzt unten am Laptop, plötzlich schreit er „Bär an der Tür“, ich schaue schlaftrunken auf und starre nur Zentimeter entfernt in das Gesicht eines großen Schwarzbären der sich aufgerichtet, die Pranken an der Scheibe die Nase platt drückt, ich denke nur „Kamera“, John greift nach vorn und reißt das Bärenspray aus dem Rucksack. Kurz darauf hat Blacky genug und rennt über das Eisfeld davon, er hat vermutlich noch was von unserem Abendessen gerochen und John wunderte sich, das die ganze Bude wackelte, am nächsten Tag sehen wir seine Pranken Abdrücke auf dem Lack, er hat überall in die Fenster geguckt. Wir sind angekommen in einer der für mich grandiosesten Ecken der Welt, mein persönliches Shangri La, der Stoff aus dem meine Träume sind, allein der Name verspricht pures Abenteuer, mein dritter Besuch und hoffentlich nicht der Letzte. Alaska hat keine Verkaufssteuer, Magnums in der Waffentheke von Wal Mart liegen wo sie in den Lower 48 nicht mal von träumen, Bären und Wölfe werden immer noch reichlich abgeknallt und Angst vor den Russen hat man sowieso nicht, im Gegenteil, nette Nachbarn, an der engsten Stelle nur 89 Kilometer voneinander getrennt, bewaffnen muss man sich gegen die eigene Regierung denn bei denen weiß man nie, was die so im Schilde führen. Wer in Alaska lebt, tut dies ganz bewusst und liebt es, nicht zuletzt deshalb, weil es unendlich weit weg vom Rest des Landes ist.
Die ungefähr achthundert tausend Einwohner verteilen sich auf eine Fläche von über 1,7 Millionen Quadrat Kilometern, damit ist Alaska mit Abstand der größte US Bundesstaat, da kann man den gesamten Südwesten rein packen. Außenminister Seward unterschrieb im Jahr 1867 den Kaufvertrag, für gut sieben Millionen Dollar verkauften die Russen dieses aus ihrer Sicht wertlose Land. Der Außenminister wurde verspottet einen Eiskasten gekauft zu haben, dabei war es der beste Deal den die Amis je gemacht haben und das auch noch so friedlich, scheinbar endlose Erdöl, Erdgas und Fisch Vorkommen sprechen für sich, dem Natur Freak bieten sich hier Möglichkeiten, die ihres Gleichen suchen.
Mit gepackten Rucksäcken für eine Übernachtungs Tour geht es am Morgen auf einen total überwucherten Trail, drei Stunden kämpfen wir uns durch das überbordende Grün bis wir die Packrafts zu Wasser lassen und damit eigentlich noch ein ganzes Stück weiter paddeln wollen, um dann zu übernachten. Leider macht uns der Wind mal wieder einen Strich durch die Rechnung und wir müssen dieses Vorhaben aufgeben. Mit Rückenwind und Wellengang, woran man sich auch erst mal gewöhnen und einschätzen lernen muss, geht es zurück zum Ausgangspunkt, sobald wir die Boote zu Wasser lassen, tauchen überall Köpfe auf, mit Begleitung der vielen neugierigen Seehunde, ein paar Seeottern und über uns unzähligen Weißkopfseeadlern haben wir einen klasse Wellenritt und sind alles andere als enttäuscht von diesem Tag.
Ein paar Tage später sind wir in Anchorage, mit dreihunderttausend Einwohnern die mit Abstand größte Menschen Ansamlung in A.K.. Die Stadt, am tief eingeschnittenen Cook Inlet ist zwar selbst nicht wirklich attraktiv, die Gegend drumherum dafür umso mehr. Wir haben jede Menge zu tun, Johns Fahrrad ist auf dem Weg hierher, genauso wie meine neue Kreditkarte, da die alte gehackt wurde. Zu meinem Entzücken entdecke ich Fred Meyer, eine Ladenkette, die es leider nicht in allen Staaten gibt, John kann meine Begeisterung gar nicht verstehen aber das wird sich schnell ändern. Als alles soweit geklärt ist, können wir nur noch hoffen und begeben uns südlich auf die Kenai Halbinsel, ein spektakulärer Hinterhof der Großstädter. Direkt an einem Gletscher paddeln steht ganz oben auf unserer Liste. Kurz bevor man in den Tunnel nach Whittier abbiegt, teilt sich die Straße und nach ein paar Kilometern steht man am Portage Lake an dessen Ende sich ein netter Gletscher befindet. Den können wir von hier aus noch gar nicht sehen aber einen Versuch ist es wert dort hin zu kommen. Während der Ausflugsdampfer auf der anderen Seite des Sees an uns vorbei zieht, mühen wir uns über eine Stunde gegen den mal wieder kräftigen Gegenwind. Je näher wir kommen umso heftiger wird es, kurz bevor er endlich in Sicht kommt, paddle ich quasi nur noch auf der Stelle aber ich will dahin und dann ist es geschafft. Ein eisiger Hauch des aus dieser Perspektive enorm beeindruckenden Gletschers weht uns entgegen, es knarrt und knallt als würden Kugeln abgefeuert, seitlich fallen immer wieder kleine Stücke Eis und Geröll ins Wasser, einen guten Abstand zu halten ist von Vorteil für die Gesundheit. Wir halten uns dort lange auf bevor wir mit Wind im Rücken den Rückweg antreten.
Da der Eisenbahn Tunnel nach Whittier im Gegensatz zu früher nun auch für den Autoverkehr befahrbar ist, zahlen wir die zwölf Dollar Gebühr und warten, bis der Tunnel für unsere Richtung frei gegeben wird. Der kleine Hafen befindet sich aufgrund seiner Geografie auf sehr begrenztem Gebiet und spielt als Versorgungshafen für A.K. eine wichtige Rolle, die ankommenden Container werden auf die Züge geladen und ab geht es durch den Tunnel nach Anchorage, alles was schneller ankommen muss, wie zum Beispiel John`s Fahrrad, kommt auf dem Luftweg.
Whittier hat außerdem noch Platz für jede Menge Privat Boote und Kreuzfahrtschiffe dürfen natürlich auch nicht fehlen.
Hinter dem Tunnel gibt es einige gute freie Übernachtungsplätze, heute dürfen wir ein Weißkopfseeadler Paar beobachten die andauernd von Möwen attackiert werden was sie aber unbeeindruckt lässt.Wir begeben uns weiter südlich nach Seward und laufen am nächsten Tag den Trail am Rande des Exit Gletschers hoch, von einem Aussichtspunkt beobachten wir einen Schwarzbären der anscheinend den ganzen Riesen Gletscher überqueren will. Nach sechs Stunden und tausend Höhenmetern Auf und Abstieg nehmen wir eine schöne Dusche für nur zwei Dollar im Ort und begeben uns zurück auf unseren Stammplatz an der Exit Glacier Road, wo ein Coyote rum streift und nach Abfällen sucht.
Am nächsten Morgen fahren wir zum Ende der Straße, packen unsere Boote in den Rucksack und laufen ca. sieben Kilometer bevor wir sie mit Luft füllen und versuchen noch möglichst weit gegen den Wind anzukommen, dann drehen wir um und der Wellenritt beginnt. Wie hoch sie maximal sein dürfen bevor es ungemütlich wird, habe ich mittlerweile raus, Schaumkronen sind ein gutes Indiz dafür, das man Land gewinnen sollte. Heute haben sie genau die richtige Höhe, wir können hier in den Wellen spielen die dazu noch von der Seite kommen was unsere Packrafts wenig beeindruckt, ein herrlicher Spaß. Das Inlet hier ist beliebt bei Kajakern, einige Veranstalter vermieten Boote. Uns kommt eine Gruppe entgegen die ziemlich unentspannt aussieht, wie kann das sein mit den schnittigen Booten? Unser Ritt geht viel zu schnell zu Ende und wir paddeln noch eine ganze Weile vor dem Strand raus und wieder rein, so einen Spaß macht es. Ganz in der Nähe wollen zwei Kajaker offensichtlich dorthin wo wir herkommen, sie bewegen sich aber kaum, es sieht aus, als hätten sie richtig Muffe. Als ich das nächste Mal hinschaue ist ein Boot umgekippt und der Insasse schwimmt im Wasser, untergehen kann er dank Schwimmweste nicht, er treibt völlig hilflos im Wasser bis sich das Wassertaxi am Ufer erbarmt und ihn raus fischt.
Der nächste Tag ist bedeckt und regnerisch, eine gute Entschuldigung, in der Bücherei vorm Laptop zu hocken. Eine weitere Wanderung ist angesagt, diesmal bei Traumwetter. Vom Parkplatz an der Nash Road starten wir Richtung Mt. Alice, tausend Höhenmeter später stehen wir ganz oben und werden mit fantastischen Blicken auf die Umgebung und Seward belohnt.
Zurück in Anchorage können wir alles entgegen nehmen, John hat sein geliebtes Fahrrad wieder und baut es zusammen, ich bunkere Lebensmittel. Bis Faibanks sind es nur ein paar hundert Meilen doch ich plane Wochen zwischen hier und der nächsten guten Versorgungsmöglichkeit, nämlich Fairbanks, zu verbringen, am Ende werden es dreieinhalb sein. John wird noch ein paar Tage Anchorage Luft schnuppern und an einem Fahrradfahrer Treffen teilnehmen um sich dann in die selbe Richtung zu begeben. Ich fahre nördlich an den Knik River wo es schöne Stellmöglichkeiten gibt und wandere am nächsten Tag 1500 Meter Aufwärts auf dem Pioneer Ridge Trail, der Blick auf den riesigen Knik Gletscher und die Talkeetna Mountains ist spektakulär, oben angekommen, bietet sich unter anderem ein toller Blick auf den mit viertausend Metern höchsten Berg der Chugach Mountains. Das ganze Gebiet der Chugachs ist fantastisch und ein Katzensprung von Anchorage entfernt. Nach einer sieben Stunden dauernden anspruchsvollen Tour bin ich zurück am alten Platz und genieße mein Bier an einem dieser durch die Helligkeit nicht enden wollenden Abende, das einem das Leben soviel leichter macht und einem scheinbar soviel mehr Zeit in die Hand gibt. Wie sagten beide Frauen im Yukon, die uns vor und nach dem Teslin in ihre Autos luden? Der Sommer ist zum Feiern und Leute treffen, schlafen kann man den ganzen Winter.
Palmer, letzte Möglichkeit den Kühlschrank bis oben hin zu füllen. Anschließend fahre ich zum Trailhead der Reed Lakes, parke aber zum Übernachten einen halben Kilometer davor direkt an der Piste. Am nächsten Morgen schaue ich mit dem Müsli in der Hand zufällig aus dem Heck Fenster als ewig lange Beine um die Ecke kommen. Ich denke nur, was machen denn die Pferde hier, als weitere, kürzere Beine auftauchen, gemütlich latscht die große Elch Kuh mit ihren zwei Kleinen am Wagen vorbei, ich hechte nach vorne und schaffe noch ein paar Schüsse.
Ich fahre zum Trailhead, ein paar Autos stehen hier, bei den beiden letzten stimmt was nicht, der eine, ein 4 Runner aus Utah ist gestern Abend hier rein gefahren wie ich gesehen habe, die oder der Besitzer scheint Abends wie der Nachbar auch, auf einen Übernachtungs Trip gegangen zu sein. Der 4 Runner hat die Scheibe der Fahrer Seite eingeschlagen, der Pick up eine kleinere Scheibe hinten. Ich habe kein funktionierendes Handy, welches hier wahrscheinlich eh kein Netz hätte. Ein paar Stunden später spricht mich der Ranger an, sie arbeiten an den Wegen, ob das mein Toyota wäre, mir läuft es kalt den Rücken runter aber schnell ist klar, das er den 4 Runner meint. Sie haben schon lang Probleme hier mit Einbruch, leider bleibt nirgendwo die Zeit stehen.
Ich nehme die sehr schöne Hatcher Pass Road und finde auf der anderen Seite des Passes einen Platz am Creek, das schöne Wetter lädt ein, noch einen Tag länger zu bleiben.
Zurück auf dem George Parks Highway Richtung Fairbanks, biege ich auf die Petersville Road ab, die Piste geht ein Stück in die Pampa, jedoch scheint dies ein recht beliebtes Gebiet bei meinen Quad Freunden zu sein, außerdem gibt es reichlich private Minen, so dass ich nach einer Übernachtung schon wieder draußen bin und mir den kleinen Ort Talkeetna anschaue, hier müssen sich alle Bergsteiger die den Mt. Mc Kinley bezwingen wollen registrieren, ist also zu bestimmter Zeit die Bergsteiger Zentrale, im Sommer übernehmen die Touristen das Ruder, für meinen Geschmack sind das deutlich zu viele, nichts wie weg aus dieser Touristen Falle. Ich checke die Gegend um den Byers Lake, von hier aus wollen wir in ein paar Tagen eine Tour starten, die Abstellmöglichkeit für den Wagen gegenüber eines Kanu Verleihs ist optimal, zwanzig Kilometer nördlich finde ich einen super Stellplatz und treffe ein paar Tage später wie verabredet wieder mit John zusammen.