Olympic National Park, Redwoods, California Coast und klirrende Kälte in der Wüste Nevadas

 

Wie häufig im Leben hängt vieles davon ab, auf wen man trifft. In meinem Fall meint es das Schicksal an diesem Morgen um halb neun im Hafen von Victoria nicht gut, als die US Beamten der Einreisebehörde ausschwärmen, und sich die in ihren Wagen hockenden Insassen vorknöpfen, die alle in ihr Land möchten.

Die Formalitäten hierfür werden auf kanadischem Boden abgewickelt, bevor man amerikanischen Boden bzw. in diesem Fall, Planken betreten darf.

Die Fragen werden wie Pfeile abgeschossen, Nettigkeiten spart man sich in jeder Hinsicht, keine ungewöhnlichen Fragen und doch, die Art und Weise inklusive Drohung, mein Visum ungültig zu machen obwohl ich präzise antworte, schocken mich, und ich brauche Tage, um dies komplett zu verdauen und noch länger, um hier wirklich wieder anzukommen. Dies war mit Abstand die ekelhafteste Einreise in dreißig Jahren weltweit.

Nichts desto Trotz, der nette Kollege im Container tackert nach dem Verhör mein gewünschtes halbes Jahr in den Pass und ich bin für das unvermeidliche nächste Mal um eine Erfahrung reicher.

Nach eineinhalb Stunden ruhiger Überfahrt, betrete ich den Staat Washington auf der großen Halbinsel in Port Angeles, und muss mich erst mal den „Agris“, also den Beamten, die Obst und Gemüse und was weiß ich noch alles beschlagnahmen um schlimmeres zu verhindern, unterziehen. In meinem Fall haben die schönen kanadischen Äpfel das Nachsehen und landen in der Tonne des lockeren Kollegen, die Zwiebeln, Kartoffeln und Petersilie darf ich behalten, werde da einer schlau draus. Das Holz oben auf der Hütt`n hat er wohl übersehen.

Der nette Mensch an der Tankstelle bringt es auf den Punkt, als ich noch mit der „neuen Währung“ kämpfe „Welcome to the States“. Danke!

Die erste „Drive Thru“ Bank liegt hinter mir, die selbige Apotheke suche ich nur auf, wenn ich meiner Beine nicht mehr Herr bin und die Gasflasche befüllen geht tatsächlich noch auf normalem Weg und ist unfassbar billig.

Ein paar Kilometer weiter bin ich schon am Rande des Olympic National Park, einem der großen Wildnisgebiete Nordamerikas, und besorge mir im dortigen Visitor Centre den National Park Pass, der mich berechtigt, innerhalb eines Jahres so häufig und so lang die Nationalparks aufzusuchen wie es mir beliebt und das sind nicht wenig, für achtzig Dollar Jahresgebühr.

Der Park umfasst etwa die Hälfte der gesamten Halbinsel, hat Urwald, Berge und eine wilde Küste zu bieten. Auch die Ureinwohner leben hier an verschiedenen Orten. Der Rest befindet sich in den Klauen der Holzindustrie.

Natürlich habe ich im Park einiges vor, die erste Nacht gönne ich mir auf dem Campingplatz Sol Duc für zwölf Dollar mit Klo aber ohne Dusche.

Das Wetter ist feucht, fröhlich wie es sich hier gehört aber es regnet nicht, was eher ungewöhnlich ist.

Die Vielfalt der verschiedenen Pilzarten die in diesem Klima prächtig gedeihen, lassen jedes Fotografen Herz höher schlagen.

Ich begebe mich Richtung Westen, mittlerweile regnet es permanent. Der nächste Platz innerhalb des Parks kostet normalerweise vierzehn Dollar aber zur Zeit nichts, da aufgrund des Frost die Toilettenanlage bis auf das Plumpsklo geschlossen ist, flott, da bleib ich doch glatt ein bisschen länger.

Die Luftfeuchte gepaart mit Kälte erreicht ungeahnte Dimensionen, was sich innerhalb des Wagens unangenehm bemerkbar macht aber es hört auf zu regnen und ich begebe mich auf Erkundungstour in höhere Lagen.

Schneller als mir lieb ist, stehe ich im Schnee. Ein traumhaftes Terrain für längere Übernachtungstouren, um diese Jahreszeit leider Essig, hätte ich jetzt so nicht erwartet in Küstennähe aber auf zweitausend Metern auch nicht wirklich überraschend.

Nachts turnt ein Waschbär auf dem Dach rum, wie in B.C. bei den Waldgeistern, hilft die erprobte, lärmende Plastikflasche.

Am Hoh Rainforest Parkplatz begegne ich Engländern mit ungewöhnlichem Gefährt, die schon dreieinhalb Jahre auf Reisen sind und auch in Richtung Süd tuckern.

Auf schöner Piste geht es in der Nähe des Lake Qinault entlang und ich entdecke in einer abgelegenen Ecke des Parks den nächsten kostenfreien Platz, wunderbar am Fluss gelegen.

Nach eine Woche mit leider nur Tageswanderungen, mache ich mich vom Acker Richtung Süden.

Die ursprüngliche Planung, Mt. Rainer National Park und Mt.St.Helens National Volcanic Monument anzusteuen, fällt komplett ins Wasser. Dort sieht es auf unbestimmte Zeit nicht besser mit der Vorhersage aus, als hier an der Küste, also bleibe ich wo ich bin und setzte bei Astoria von Wind und Regen gebeutelt über eine sechseinhalb Kilometer lange Brücke an der Mündung des Columbia River nach Oregon über.

Weitere Inlandabstecher verkneife ich mir vorerst und fahre an der mir bekannten Oregon Coast bei mehr oder weniger gutem Wetter südwärts.

In Lincoln City staune ich nicht schlecht, als ich auf den großzügig gestalteten Parkplatz des direkt am Meer gelegenen, von den hier ansässigen Indianern errichteten Kasinos rolle. Nicht kleckern sondern klotzen, Dünen platt gemacht und Geld scheffeln, kein Privileg der Eroberer mehr.

Für Kunden ist das Parken hier frei. Das bin ich auf jeden Fall, Toilettenkunde halt. Der Strand kann sich wie überall an der Oregon Küste sehen lassen, ich bleibe noch ein wenig länger.

Das Wetter ist annehmbar und langsam bummel ich weiter bis es im wunderschönen südlichen Teil wieder anfängt zu regnen und ich kalifornischen Boden betrete. Ich fahre entlang der fantastischen Redwood Bäume in einen National Forest, hier kann man problemlos übernachten. Bei sechzehn Grad Außentemperatur und Trockenheit ein Vergnügen. Im nahe gelegenen State Park möchte man schlappe fünfunddreißig Dollar für die Übernachtung.

Ich wandle durch die herrlichen Redwood Wälder, hier stehen einige der höchsten und sicher auch gerade gewachsesten Küstenmammutbäume der Welt. Der morgendliche Lichteinfall ist fantastisch, eine surreale Welt, die man ungern verlässt.

Nicht weit entfernt nahe der Küste wohnen Ulrike, Tom und Marlin. Ulrike ist auf dem gleichen kleinen Flecken aufgewachsen wie ich und ich habe sie und ihren amerikanischen Mann Tom vor sechzehn Jahren schon mal besucht. Tom hat alles selbst gebaut und ich staune nicht schlecht, ein riesiges neues Gebäude sowie Obstgärten und so viele Rindviecher vorzufinden.

Das Beste sind für mich die drei Pferde und Esel Jack. Am nächsten Tag geht es gleich auf einen Strandritt. Etwas, das wir beide früher mit unseren Pferden auch täglich hatten und für mich nun als Vagabundierende extrem selten geworden ist.

Ulrike kocht derartig gut und das alles auch noch Bio, das über eine Woche wie im Flug vergeht. Die Gegend hier ist sehr Alternativ, etwas, das man heutzutage nicht mehr so häufig findet und mir extrem gut gefällt. Auch die Supermärkte sind einfach cool, für uns Biotanten das Paradies.

Ulrike trifft sich Sonntags zu Reiterspielen mit anderen Vereinsmitgliedern und ich schaue mir dies an, da ich aus Versicherungstechnischen Gründen nicht teilnehmen darf.

Ich werde das gute Essen, das Tratschen über die Heimat und den Stallgeruch vermissen. Danke an Ulrike, Tom, Marlin und Robin für die tolle Gastfreundschaft!

Da ich die kalifornische Küste schon etliche Male hinauf und hinunter gefahren bin, entschließe ich mich nun doch, wieder ins Landesinnere abzubiegen und begebe mich über die Coast Ranges nach Osten in Richtung Redding. Die Küstenvegetation verschwindet und die der Halbwüsten tritt an ihre Stelle. Zudem ist es herrlich mild und sonnig.

Weiter Richtung Osten hat der Lassen Volcanic National Park leider wegen Schneeglätte und Sturm dicht gemacht und in Susanville stocke ich den Diesel nochmals auf, bevor es in die Hochwüste von Nevada geht.

Warum ich in diese Gegend fahre ist klar. Es sieht selbst auf meiner Detailkarte so aus, als wäre da nicht viel mehr als Nichts....., außerdem verspricht der Name viel, Black Rock und High Rock Desert hört sich einfach gut an.

Die erste Nacht verbringe ich am Rande dieser Hochwüste an einer Piste und muss morgens zweimal hingucken, als ich das Thermometer ablese, 12 Grad, aber Minus! Rekord, da hole ich dann doch mal lieber die Daunenjacke raus.

Es handelt sich hier um eine National Conservation Area. Die Amis haben derart viel unterschiedlich benannte Schutzzonen, das man schwer durchsteigt.

Nationalparks sind auf jeden Fall das Höchste und erlauben keine Ballerei, man bezahlt immer Eintritt und das Campieren unterliegt Auflagen.

Die Conservation Areas, State Parks, National Monuments, National Forests, National Wilderness und Preserves erlauben mehr, können aber eventuell auch mal aufgewertet werden und dann wieder strengeren Regularien unterworfen werden, was nicht immer und in jeder Hinsicht zum Vorteil ist.

Ich begebe mich auf Piste im nördlichen Teil, dem High Rock Desert, und möchte das Ganze nach Süden hin durchqueren.

Es wird sehr steinig und ich entlasse deshalb einen Großteil der Luft in den Reifen in die Wüste.

Ich stoße auf Stevens Camp, eine komplette, sehr gepflegte Hütte, derer man sich für 14 Tage pro Monat bemächtigen kann, ohne einen Cent zu bezahlen. Es gibt mehrere Schlafräume, massenhaft trockenes Holz, sogar Töpfe und eine tote Maus in der Mausefalle. Für Reiter,die ihre Pferde ankarren, selbstverständlich einen umzäunten Corral, cool.

Die Menschheit hat ja bekanntlich überall versucht Fuß zu fassen und an einigen Stellen ist es ihr dann doch dauerhaft nicht so richtig gelungen, Black Rock Desert gehört dazu und es ist immer wieder toll, wie die Amis es verstehen, diese Historie aufzubereiten und dem heutzutage vorbei eilenden Allrad oder sonstigen Touristen dies nahezubringen.

Ich holpere weiter nach Süden und mein nächster, genauso kühler Übernachtungsstopp befindet sich vor Mr. Fox seiner ehemaligen Garage wo mal sein Essex untergebracht war. Wie der hier her gekommen ist, ist mir schleierhaft, auf jeden Fall hatte der Herr sich eine tolle Umgebung ausgesucht.

Im Schneckentempo geht es am nächsten Morgen weiter. Ich komme an eine zugefrorene nicht besonders tiefe Furt. Das ich hier bei der Durchfahrt einbrechen werde ist mir klar, allerdings ist mir nicht klar, bis ich drin stecke, wie dick das Eis schon ist, bis ich genau in der Mitte weder vor noch zurück kann.

Da pfeift man grad noch fröhlich vor sich hin und im nächsten Moment steckt man ganz dick drin. Da ich mitten im eiskalten Wasser stehe, ist aussteigen nicht wirklich eine Option. Ich krieche vom Sitz auf die Motorhaube, beuge mich tief runter und schaffe es, die Freilaufnaben an den Vorderrädern zu drehen, damit ich dann den Vorderrradantrieb zuschalten kann. Mit viel Gewürge vor und zurück und leichter Unruhe im Blick, schaffe ich es, aus der Misere vorwärts raus zu kommen.

Weiter geht es, doch, ich ahnte es bereits, die nächste noch viel längere Furt ist nicht weit. Nach eingehendem Studium, beschließe ich eine Kehrtwende zu machen. Würde ich auf weiterem Weg irgendwo nicht mehr raus kommen, wäre guter Rat teuer.

Zurück an der ersten Furt ist es keine Option, hier einfach durch zu fahren, zu hoch schätze ich das Risiko ein, dass sich die dicken Schollen aufstellen und den Unterboden beschädigen.

Ich krempel die Ärmel hoch und schaffe es nicht zuletzt mit Hilfe der Axt, innerhalb einer Stunde die meisten Schollen an den Rand zu ziehen. Auf der gegenüber liegenden Seite ist das Eis schon derart dick, dass ich es auch mit aller Gewalt nicht aufgehackt bekomme. Also, Differenzialsperren rein und flott bin ich über den eisigen Absatz im Trockenen. Man lernt einfach nie aus.

Ich rumpel den gleichen Weg zurück und sehe die hier zahlreich ansässigen Wildpferde und eine riesen Herde einer afrikanisch anmutenden Hirschart.

Die nächste Nacht fällt deutlich milder aus und dies wird auch so bleiben, obwohl sich in der Höhe von guten tausend Metern nicht viel geändert hat. Ich biege in die Soldier Meadows Road, die oberhalb der sogenannten Playa, dem normalerweise ausgetrockneten riesigen See verläuft und die man befahren kann. Zur Zeit wäre dies allerdings reiner Selbstmord, da es vor nicht allzu langer Zeit geregnet hat und die Oberfläche in ein klebriges unbefahrbares Etwas verwandelt hat.

Die Gegend hier rund um die bunten Calio Mountains ist nach meinem Geschmack und über die Stille einer abgelegenen Halbwüste geht sowieso nichts. An meinem heutigen Schlafplatz oberhalb der Playa, höre ich das erste Mal zum Sonnenunter,- und Aufgang das schaurig, schöne Geheul der Coyoten. Eines ist klar, hierher möchte ich zurück kehren.

Gerlach, am südlichen Ende der Playa, ist ein winziges, typisches, in der Mitte vom Nirgendwo Kaff, das einmal im Jahr zum berühmten „Burning Man“ Festival zum Leben erwacht. Die Fahrt Richtung Reno erweist sich als sehr angenehm, die Stadt selbst kann man getrost vergessen. Ich befahre den höchsten „rund ums Jahr“ Pass der Sierra Nevada, ca. 2700 Meter und erreiche das Ostufer des im Winterschlaf liegenden Lake Tahoe und übernachte mal wieder auf einem Kasino Parkplatz, bevor ich am nächsten Morgen über den Monitor Pass mit toller Sicht auf die Sierra, wieder kalifornischen Boden betrete.