Von Port au Basques nach St.John´s
Viele Autofähren auf der ganzen Welt enterte ich mit verschiedensten Fahrzeugen, doch was hier abgeht, verschlägt mir die Sprache.
Die Einweiser sind alle extremst entspannt, ich passiere insgesamt vier verschiedene Leute bis ich auf dem Kahn stehe und wirklich jeder ist nett, jeder hat einen Spruch und jeder findet meine Karre toll und sagt es auch. Auf dem Kahn stehen vier Leute drum herum und wollen wissen, was diese ulkigen Dinger vor den Fenstern sollen. Natürlich sind Sandbleche hier unbekannt. Ich kenne nur genervte Einweiser, außer in Melbourne, da wollte mich mal einer unbedingt zum Essen einladen...
Die Überfahrt nach Port au Basques ist eine Wucht. Sonne pur. Vier von sechs Stunden sitze ich oben an Deck und komme regelrecht ins schwitzen.
Das Schiff, das überfreundliche Personal, alles ist Canada Style, einfach gut. Am Abend entern wir „The Rock“, wie Neufundland gerne genannt wird und im kleinen Kaff begebe ich mich in die „Innenstadt“ um die vergessenen Spagetti zu erwerben und im freundlichen Family Restaurant meine ersten Fish und Chips zu verspeisen.
Anschließend suche ich mir einen Platz zum Übernachten um am Morgen mit wenig Hoffnung um Punkt Sieben an der Tourist Information zu stehen.
Tatsächlich, sie haben geöffnet und das insgesamt Vierzehn! Stunden am Tag! Sicher nicht im Winter, trotzdem finde ich das unglaublich.
Ich fahre die wenigen Kilometer zum Cheesman Provincial Park, spaziere am netten Strand entlang und sichte sogar die gefährdeten Pipin Plover, ganz kleine Vögelchen, unseren Strandläufern ähnlich.
Dann begebe ich mich auf den Trans Canada Highway und bin relativ schnell vom „vielen Verkehr“ genervt. Irgendwie hatte ich es mir in Neufundland anders vorgestellt. Einsamer, weniger Verkehr, dauernd hängt mir ein dicker Truck im Nacken, obwohl ich schon neunzig fahre.
Andererseits ist der Trans Canada natürlich die Versorgungspipeline für alle Newfies, wie sie sich gerne nennen.
Ich biege früh ab und finde an einer Snow Mobile Piste einen akzeptablen Übernachtungsplatz. Ein Stückchen weiter gibt es einen schönen Fluss, den ich gleich für eine Körpergrundreinigung nutze, allerdings gleicht das Ganze eher einem merkwürdigem Tanz, denn die Moskitos sind sofort zur Stelle.
Die Blutspur zieht sich lang über den Highway, der Anblick des großen, toten Tieres, einer Karibou Kuh ist alles andere als erfreulich. Es muss in der Nacht passiert sein und es war sicherlich ein Truck der dies im Gegensatz zur Kuh überlebt hat.
Grad, als ich beginne mich davon zu erholen, steht mitten auf der Straße ein winzig kleines Kälbchen, ein Karibou! Ich glaube sofort zu wissen, zu wem es gehört. Es blökt jämmerlich und ist schon dehydriert. Trucks kommen an gerast, bremsen jedoch in letzter Minute, viele halten an und versuchen das Kalb von der Straße zu vertreiben, selbst hartgesottene Motorbiker springen ab und geben ihr Bestes. Mir ist klar, bringt alles nix, hier hat es die beste Übersicht und wird deshalb auf keinen Fall im angrenzenden Wald bleiben, ein aussichtsloses Unterfangen. War dies die Mutter was sehr wahrscheinlich ist, ist das Schicksal des Kleinen besiegelt. In dieser Gegend sieht er im Herbst hunderte von ihnen ziehen, erzählt mir ein Einheimischer. Er bleibt dort, ich ziehe auch weiter..
Ich fahre viel zu viel an diesem Tag, weit über zweihundert Kilometer, das habe ich früher vor dem Frühstück gemacht, jetzt nicht mehr. Es ist warm, sehr warm, ich suche das Lighthouse in Twillingate und finde es nicht auf Anhieb, Schei.... Reiseführer!
Als ich aussteige um einen Bootsschuppen zu fotografieren, kommt Melvin auf mich zu und lädt mich ein, genau diesen zu besichtigen.
Eines ist mal klar, Melvin besitzt sicherlich nicht die größte Kugelschreiber Sammlung der Welt, doch bestimmt die größte von „The Rock“. Auf die unglaublich netten Germans lässt er nichts kommen und auch ich lasse eine Kleinigkeit dort, um seine deutsche Lebensmittel Sammlung zu erweitern, einen original Vilosa „Sallos“ Lakritz Lutschbonbon!
Nachdem Melvin mir den Weg gewiesen und ich festgestellt habe, dass ich fast unmittelbar davor stand, finde ich den Leuchtturm. Die versprochenen Eisberge tauchen nur als kleine Bröckchen am Horizont auf, egal, ein paar Schritte weiter finde ich einen genialen Übernachtungsplatz der so schön ist, dass ich gleich vier Tage bleibe. Die Hitze ist kaum mehr erträglich und das ist der Spot den ich in Neufundland gesucht habe, perfekt.
Genau wie Nova Scotia ist auch Neufundland auf der Höhe der Zeit und somit ein Wireless Spot nie weit.
Egal ob Information oder National Park Centre, es ist umsonst und gut.
Im Terra Nova National Park ist es nicht anders und nach vielen schönen Wanderungen begebe ich mich in Richtung des Ortes selbigen Namens und finde dort am Rande einer Piste einen Platz, den ich noch häufiger nutzen werde.
Weiter geht es in Richtung Bonavista Peninsula, dort, wo der gebürtige Italiener John Cabot, nicht verenglischt Giovanni Caboto, das erste Mal im Jahr 1497, nur fünf Jahre nach der ersten Fahrt von Kolumbus, die Füße hier oder auch woanders, an Land setzte und damit quasi die Neuzeit einläutete.
Es gießt in Strömen und der Sturm ist auch nicht zu verachten. Wie immer, finde ich leicht einen Übernachtungsplatz.
Über Trinity und Placentia geht es hinunter zum St. Mary Ecological Reserve. Hier soll es ganz nah Basstölpel zu gucken geben.
Zuerst einmal sehe ich nichts.... der Nebel ist derart dicht, dass ich noch nicht einmal das fünfzig Meter entfernte Visitor Centre auf Anhieb entdecke.
Aufgrund der Autos auf dem Parkplatz muss es hier irgendwo sein und schließlich finde ich den eineinhalb Kilometer langen Pfad zu den Vögeln.
Trotz dichtem Nebel ist es ein Erlebnis. Sie hocken grad gegenüber auf einem ins Nichts abfallenden Felsen dicht an dicht und brüten ihr Ei aus. Mit dem Fernglas sehe ich einige Jungvögel im Nest, viele scheinen noch im Nestbau oder es sind nur Ausbesserungsarbeiten. Erst einmal, in Frankreich, konnte ich ähnlich große Tiere, Gänsegeier, so in Augenhöhe beobachten und fotografieren.
Da ich mit wenig Hoffnung und aus Angst um die gute Kamera Ausrüstung wegen der Feuchtigkeit nur die Kleine mitnahm, reiße ich mich los und hole schweres Gerät. Den ganzen Tag verbringe ich auf der nebeligen Klippe, das neue Teleobjektiv ist jeden Cent wert.
Ich übernachte in der Nähe mit der Hoffnung, dass sich am nächsten Tag der Nebel in Luft auflöst, doch weit gefehlt, es ist eher noch schlimmer.
Ich begebe mich Richtung Hauptstadt St. John`s, naht doch der Canada Day, der am Ersten Juli mit Partys und Paraden zelebriert wird, um an die Gründung Canadas im Jahr 1867 zu erinnern.
Zuvor jedoch, schaue ich mir den Salmonier Nature Park an, der sich um kranke oder verletzte Wildtiere kümmert.
Ich sehe eine wunderschöne Riesen Eule, einen Weißkopfseeadler mit Nachwuchs, das Tele liegt natürlich im Wagen, eine lustige Elchkuh und einen Fischotter.
Der in der Nähe St. John´s gelegene La Manche Provincial Park mit Campingplatz ist überfüllt mit Hauptstädtern. Macht überhaupt nichts, ich bin nur scharf auf eine Dusche und einen Wasserhahn. Die nette Dame im Häuschen hat da überhaupt kein Problem mit, beides gibt es gratis, was will man mehr.
Frisch gewaschen starte ich den Canada Day in St.John´s und wundere mich beim durchqueren einer der ältesten Städte Nordamerikas, das überhaupt nichts los ist. Vom schönen kleinen Hafen geht es gleich mächtig bergan, so dass man schon mal ins keuchen kommt und St. John` s den Namen Mini San Francisco eingebracht hat. Die Stadt war einst Welthandelszentrum für gesalzenen Kabeljau und hatte mehr Millionäre pro Kopf, als jede andere Stadt Nordamerikas. „In Cod we trust“, soll man früher schon mal gebetet haben und viele meinten, „Kabeljaurepublik“ wäre ein passender Name.
Bevor den Menschen die ungezügelte Gier befiel und er kein Maß mehr kannte, soll man in Neufundlands Gewässern den Kabeljau einfach mit Eimern aus dem Meer geholt haben. Experten warnten vor dem Zusammenbruch der Fisch Population. 1992 ging es nicht mehr anders, dreihundert zwanzig Kilometer im Umkreis der Küste wurde der Fang verboten. Zwanzigtausend Fischer und Fabrikarbeiter waren von hier auf jetzt arbeitslos, der Kabeljau so gut wie ausgerottet.
Ich stolpere in die Parade zum Gedenken an die Gefallenen des Krieges. Jede Institution hat Vertreter geschickt, inklusive einiger hoch dekorierter Veteranen. Eine kleine, angemessene Feier.
Am Hafen entdecke ich die Plastiken zweier sehr bekannter Repräsentanten dieser Atlantik Provinz, fast jeder kennt sie, den vierbeinigen Neufundländer und den Labrador Retriever.
Bis zum Nachmittag habe ich so ziemlich alles gesehen und in der George Street, dem Zentrum des Vergnügens, eine tolle Live Band entdeckt, the Rock rockt. Die Stadt füllt sich zunehmend, wer heute was auf sich hält, trägt Rot.
Am frühen Abend fährt man durch die Water Street nur noch Schritttempo, so voll ist es geworden.
Die Band baut um und die George Street wird nach und nach abgeriegelt. Zur Abendveranstaltung wird kassiert, ich verziehe mich in einen Außenbezirk.