Trekking entlang der Kesugi Ridge und im Denali National Park

Wir packen die Klamotten in die Rucksäcke, das Fahrrad ins Auto und stellen uns mal wieder an die Straße. Keine zehn Minuten später sitzen wir schon im Wagen von netten Leuten aus Idaho. Nach einer halben Stunde sind wir am Trailhead der Kesugi Ridge. Hat man erst mal Höhe gewonnen, geht es vornehmlich immer entlang dieses Höhenzuges, der direkt gegenüber der Bergwelt des Mt.Mc Kinley verläuft. Wir haben gutes Wetter und recht gute Sicht, nur der „Hohe“, mit knapp 6200 Metern höchster Berg Nordamerikas, lässt sich die ganze Zeit nicht blicken. Kesugi liegt außerhalb der National Park Grenzen, somit braucht man keine Genehmigungen. Zelten darf man überall wo es einem gefällt und es gibt echte Traumplätze mit Blick auf die gegenüber liegenden Berge. Am zweiten Tag wird es recht anstrengend, wir müssen den Höhenzug verlassen, weit absteigen und auf der anderen Seite wieder alles rauf, finden aber mal wieder einen tollen Zeltplatz mitten in der Tundra umgeben von kleinen Seen, nach drei tollen Tagen und zweiundvierzig Kilometern erreichen wir wieder Byers Lake, gerade als wir die Rucksäcke ins Auto gepackt haben, fängt es an wie aus Kübeln zu regnen.

John steigt wieder aufs Fahrrad, ich fahre zum Info Centre am Eingang meines geliebten Denali National Parks und bin extrem positiv überrascht, als man mir mitteilt, das es kein Problem sei dort im Park zu übernachten wo ich es will, nämlich fast ganz am Ende auf dem Wonder Lake Campground. John erreicht den Parkeingang nach regenreicher Fahrt am nächsten Mittag und wir latschen direkt zum Backcountry Office. John wird die Piste in den Park mit dem Fahrrad befahren, dies war mal meine Idee und gemeinsam geplant. Mangels vorhandenem Fahrrad, das in Idaho steht, setze ich wieder auf die Wanderschuhe. Der gesamte Park ist in Planquadrate unterteilt und damit nicht irgendwo zu viele Leute zelten, wird nur eine bestimmte Anzahl von Permits pro Quadrat ausgegeben. Doch so einfach kommt man da nicht davon, persönliche Daten müssen notiert, bisherige Wildnis Erfahrung aufgelistet, einem Vortrag von Frau Ranger gelauscht, sowie ein halbstündiges Video welches sich hauptsächlich mit der Vermeidung von Zusammenstößen mit Bären aber auch anderen wichtigen Themen beschäftigt, angeschaut werden.

Halten wir uns also nochmal vor Augen, Denali hat eine sehr hohe Dichte an Bären. Treffen wir auf Mr. oder Mrs. Grizzly, heißt es ruhig bleiben, nicht panisch werden und davon rennen, sondern Arme hoch, ruhig und bestimmt dummes Zeug labern und langsam zurück ziehen. Bei Blacky, den ich im Park noch nie gesehen habe, verhält es sich total anders. Man soll ihn anschreien und, wenn vorhanden, mit Steinen bewerfen. Bei Mr. Moose, also Elch, heißt es Rennen und das noch möglichst im Zick Zack und am besten hinter Bäumen verstecken, was in der Tundra nicht wirklich praktikabel ist. So gebrieft und mit den Permits und einem Bären Kanister in der Tasche, alles völlig umsonst, da können sich die Kanadier mal eine Scheibe von abschneiden, geht es nun ans Packen. Der Bus zum Wonder Lake geht morgen früh um sieben. Die einzige Straße im Park darf nicht von Privat Fahrzeugen befahren werden bzw. maximal bis zum Teklanika Campingplatz wenn man dafür eine Reservierung hat. Alle müssen auf die Busse umsteigen und ihre Blechkisten draußen stehen lassen, ein super System, welches schon in den Siebzigern eingeführt wurde, der Park wäre rund um die Straße kaputt und nicht derselbe, dürfte hier jeder mit seiner Karre rein. Würde ein Bär oder anderes Tier gesichtet, würden sich die Massen drauf stürzen um ein gutes Foto zu bekommen, es würde tödliche Unfälle geben, es wäre das Chaos und nicht kontrollierbar. So ist die Masse wunderbar in die Busse verstaut, kann mal einen Blick auf die Wildnis werfen ohne sich und Tiere zu gefährden, hat ihren Spaß, wird vom Fahrer bespaßt, ist hundert Prozent unter Kontrolle und kann somit im Park keinen Schaden anrichten. Einen einzigen tödlichen Unfall gab es erst. Vor ein paar Jahren wagte sich ein Mann aus Kalifornien zu nah ran, natürlich wegen dem guten Foto, Mr. Grizz machte kurzen Prozess, was auch ihn anschließend das Leben kostete, da solche Bären liquidiert werden. Dies war kein Backcountry Wanderer sondern einer von denen, die sich maximal zwanzig Meter von der Straße weg trauen.

Mit Futter für eine Woche im Rucksack, besteige ich den angenehm leeren Bus, hier handelt es sich um einen Camper Bus, was wesentlich angenehmer als die vollen „Normal Touristen“ Busse ist, da der Fahrer nicht bei jeder Sichtung eines fünfhundert Meter entfernten Punktes was eventuell irgendein Tier sein könnte anhält, außerdem ist dieser Fahrer fast stumm und quasselt uns nicht schon am frühen Morgen zu. Die alten Schulbusse sind nicht die Bequemsten aber die Piste ist gepflegt und nach wunderschöner Fahrt mit einigen Pausen, erreichen wir nach 136 Kilometern und sechs Stunden Wonder Lake. Der „Hohe“ zeigte sich schon vom Eilsen Visitor Centre. Die Zeltplätze haben jeweils eine Bank und sind Terrassen Förmig angelegt. Im oberen Bereich gibt es mehrere Unterstände wo gekocht wird und eine Kammer, in der man die Lebensmittel Tier sicher verstauen muss. Jeden Abend findet ein Vortrag des Rangers zu einem anderen Thema statt.

Andrew M. Keller ist hier am Ende der Piste im Herzen des Parks einer von zwei verantwortlichen Rangern. Die Zwei wohnen etwas oberhalb jeweils in einer kleinen aber feinen Hütte mit genialem Blick auf den Berg der Berge. Andrew ist mit Herz und Seele diesem Park verbunden und das seit dreißig Jahren, er ist ein Interpretive Park Ranger, also einer, der den Leuten was erzählt und keiner der z.b. im Grand Canyon Village harmlose Reisende beschuldigt zu schnell gefahren zu sein. Sein Wissen ist umfassend, er ist hier von Mai bis Oktober stationiert, heute erzählt er uns über die Minen Aktivitäten im nahen Kantishna zu früheren Zeiten und deren damalige Bewohner, heute gibt es dort ein paar Lodges für diejenigen, die nichts mit Zelten am Busen der Natur am Hut haben. Morgen gibt er seine Erfahrungen über das Leben eines Rangers weiter und übermorgen über Pflanzen im Park. Eine Wiedereinstellungs Garantie für die nächste Saison gibt es nicht, seine Frau arbeitet am Parkeingang im Büro und den Rest des Jahres sind sie in Fairbanks Zuhause.

John kommt am nächsten Nachmittag an geradelt, sein Quadrat konnte er leider nicht einhalten, mit dem Fahrrad ist das auch schwierig. Einmal musste er sich hinter einem Bus verstecken, weil der Grizzly direkt an der Straße hockte aber sonst war alles klasse. Ich vergnügte mich derweil auf Tages Touren in der Pampa und fand sogar ein tolles Caribou Geweih. Mir wird auf diesen Touren nur allzu bewusst, wie mühsam es ist, sich hier fort zu bewegen. Was aus dem Bus so aussieht als wäre es leichtfüßig zu überquerende Tundra, entpuppt sich sehr häufig als brutal schwierig durch vorher nicht sichtbares Wasser, extrem weiche Moose und dichtes, kaum zu durchquerendes Gebüsch. Mehrfach muss ich feststellen, das der so scheinbar nah liegende Höhenzug nur durch stundenlanges manövrieren, suchen, umkehren, neue Möglichkeit suchen zu erreichen ist, es sei denn, man macht es wirklich auf die brutale Tour. Das Laufen in Weg loser Wildnis ist die höchste und anspruchsvollste Disziplin beim Trekking und nur was für Leute mit Durchhaltevermögen und Hang zur Selbstkasteiung.   

Das Wetter meint es gut und wenn ich morgens aus dem Zelt schaue, direkt auf die von der ersten Morgensonne in Rot glühend angestrahlte Bergkette mit meinem wunderschönen Lieblingsberg in der Mitte, der hoch über den Übrigen thront, dann weiß ich, warum es mich immer wieder auf einen der schönsten Campingplätze zieht die ich kenne, denn von nirgendwo sonst hat man einen so genialen Blick auf diesen Berg. Am Abend sitzen wir bei Andrew beim Vortrag, der Berg taucht langsam ein ins glühende Abendspektakel. Wir können nicht mehr bleiben, holen unsere Kameras und laufen ein paar Kilometer zum Reflection Lake. Die Spiegelung ist nicht perfekt aber besser als gar nichts. Auf dem Rückweg, es ist mittlerweile nach 23 Uhr, treffen wir die beiden Ranger rechts von ihren Hütten an, sie schauen auf den See in dem eine Elchkuh nach Unterwasser Pflanzen taucht, dann erscheinen auch noch zwei Elchbullen auf der Bildfläche, einer gesellt sich zu ihr in den See, der Nebenbuhler hält sich zurück. „Ihr habt hier ja wohl den genialsten Arbeitsplatz den man sich vorstellen kann“ meint John. Die beiden grinsen nur über das ganze Gesicht. Vor uns die Elche, hinter uns der glühende Berg, wir wissen gar nicht, wo wir zuerst hin gucken sollen.

Am nächsten Tag regnet es wie aus Kübeln, den Tag darauf ist es wieder schön und wir packen die Klamotten zusammen. John radelt mit einer Übernachtung dazwischen wieder zurück, ich begebe mich in die Pampa und will soweit wie möglich zurück laufen. Mit dem Rucksack auf dem Rücken und der schwierig zu begehenden Tundra werden es anstrengende aber schöne Tage, irgendwann erreiche ich die Straße wieder und während ich am Grübeln bin, wie ich einen Zugang zu meinem heutigen Planquadrat finde, kommt der Wonder Lake Ranger angefahren, der, der für Touristen und Tier Probleme zuständig ist. Er zeigt mir, wie ich da am besten rein komme und gibt mir noch unnötigerweise mit auf den Weg, „Sei vorsichtig, da hängen einige große Jungs rum“ Ja, ist schon klar, alles reine Kopfsache. Sorgfältig wie immer, beachte ich alle Regeln, koche nicht am Zelt, verpacke alle Lebensmittel, Creme, Zahnpasta, Abfall in den Bären Kanister, der nicht Geruchs dicht ist aber aufgrund seiner Form vom Bär nicht wirklich greifbar und lege ihn weit vom Zelt weg aber so, das er noch sichtbar ist. Am nächsten Morgen, ich hole Wasser an einem nahen Bach, steht wie aus dem Nichts ein Caribou vor mir, wir schauen uns eine Weile an, dann läuft es ohne Scheu um mich herum und entfernt sich. Ich erreiche wieder die Straße und genieße das zügige, leichte Laufen, um diese Tageszeit ist es hier ruhig, die Busse sind erst im Anmarsch. Am Nachmittag halte ich einen an, leider kein Camper Bus, dieser ist vollgestopft mit Tages Touristen die aber schon ein wenig erschöpft erscheinen. Wir sehen noch mehrere Grizzlys, am Abend erreiche ich nach einer wunderschönen Woche wieder das Auto, bei John hat auch alles gut geklappt und wir sitzen den nächsten Tag bei Regenwetter am nahe gelegenen Shop aus, wo es ganz gutes Internet gibt. Die Sandbleche sorgen immer wieder für wilde Spekulationen, die Idee, das dies zur Abwehr der Bären dient, gefällt mir besonders.

Weiter geht es nach Healy, ein Stück dahinter biege ich auf den Stampede Trail ab, John kommt auch bald an geradelt und wir finden einen guten Übernachtungsplatz bevor wir am nächsten Morgen die restlichen Kilometer bis zum Eight Mile Lake zurück legen, dann wird die Piste schmal und sehr matschig, wir wühlen ein wenig im Schlamm, mittlerweile hat uns die Kolonne einer geführten Quad Tour überholt, wir wissen nicht, wie weit die Piste noch mit dem Wagen zu befahren ist, es ist schwierig, gute Infos über den Stampede Trail zu finden, selbst im Internet. Eines ist ganz klar, wir beide werden Alaska nicht verlassen, ohne den Magic Bus besucht zu haben in dem Chris Mc Cantless einige Monate lebte und auch gestorben ist. Zu diesem Zeitpunkt müssen wir aber erst mal aufgeben, da John starke Rückenprobleme hat und keinen Rucksack tragen kann, aber wir kommen wieder.

Ich fahre nach Fairbanks, John radelt, er meint, das sei besser für den Rücken. Somit kann ich mit zugeklapptem Dach bei Wal Mart übernachten, was es Lärm mäßig erträglich macht. Ich kaufe ein und fahre ein wenig nördlich zum Lower Chatanika, leider fängt es am Abend an zu schütten, was sich am nächsten Tag fortsetzt, ich erhalte Nachricht von Hans und Karola, sie sind grad vom Dalton Highway zurück und in der Stadt. Sie haben einen super Platz aufgetan und Hans erzählt mir die halbe Nacht von ihrer Fahrt rauf nach Deadhorse und gibt mir Tipps, dabei weiß er doch ganz genau, das ich da gar nicht hin fahre, ich bin doch nicht bescheuert und fahre 750 Kilometer pro Weg meist auf Schotter und massenhaft Steine schleudernden Trucks, nur um am nördlichsten erreichbaren Punkt der PanAm zu stehen und dann behauptet er auch noch, die Strecke sei schöner als der Dempster Highway. Bis zum Yukon werde ich fahren aber das ist ja nicht so weit.

John ist auch eingetroffen und will ein paar Tage in der Stadt abhängen, warm genug ist es mit dreißig Grad auf jeden Fall, er hat einen Campingplatz aufgetan, wo einige saufende Eskimos und andere Gestalten mit Gewehren in den Zelten abhängen. Das ist genau seine Kragenweite da er es liebt, sich in derartigem Milieu um zugucken, er hat seinen Spaß und lernt in einer Kneipe sogar einen verurteilten Mörder aus seiner Gegend kennen, der ihm haarklein die tragische Geschichte seines Lebens erzählt, während ich die Strecke nach Circle unter die Räder nehme, 250 Kilometer bis zum Yukon, halb Asphalt, halb Schotter. Schöne Stellplätze und gutes Wetter machen die Fahrt kurzweilig. Circle selbst ist ein winziges Kaff, toll gelegen direkt am Fluss nahe des Yukon Flats National Wildlife Refuge, ein Vogel Paradies. Der Yukon fließt von hier nord/westlich, erreicht fünfzig Meilen nördlich Fort Yukon am Arctic Circle und knickt dann abrupt nach Westen ab um sich weitere über Tausend Kilometer durch Weglose Wildnis zu schlängeln bevor er nochmal einen kleinen Schlenker nach Norden macht um sich dann in die Bering See zu ergießen.