Am 1.10 nehme ich einmal mehr den Weg über die Grenze, diesmal in umgekehrter Richtung, also nach Tijuana, Mexiko. Keine Wartezeit und wenig später sitze ich schon am Flughafen und warte auf den Volaris Flieger, der mich bis zum Abend mit kurzer Umsteigezeit in Mexiko Stadt zurück nach Merida gebracht haben wird. Ich beziehe für eine Nacht das wirklich empfehlenswerte Hotel Hacienda Inn in der Nähe des Flughafens und am nächsten Tag holt mich Reinhard, Haralds Bruder ab und bringt mich zurück zum Camping nach Izamal wo mir Harald schon mit meinem verschollen geglaubten Päckchen wo meine neuen Solarstecker drin sind entgegen kommt, was für eine Überraschung.
Dann der Augenblick, vor dem ich mich am meisten fürchte, wird mir beim Öffnen von Wally der Schimmel entgegen springen, oder habe ich gut genug geputzt und desinfiziert?
Juhu, mir fällt ein Stein vom Herzen, komplett schimmelfrei und Wally springt sofort an.
Das feuchtheiße Klima ist erst einmal wieder gewöhnungsbedürftig und so dauert es noch ein paar Tage, bis ich alles wieder an Ort und Stelle geräumt habe, bloß keine Hektik, außerdem empfiehlt mir Reinhard eine Werkstatt im Ort, die mir in Null komma Nix meine Liste komplett abarbeitet. Ölwechsel, Reifen rotieren, neue Gummipuffer einbauen, Birfield Joint austauschen, drei von fünf Reifenventilen müssen gewechselt werden, da dort Metalllappen drauf waren die offensichtlich bei meinem langen Aufenthalt direkt an der Küste fest gerostet sind, absolut unmöglich, die runter zu bekommen, ärgerlich aber wieder was dazugelernt, da kommen mir nur noch Gummikappen drauf. Das alles für umgerechnet 70,- Euro, da macht sogar der Werkstattbesuch Spaß!
An meinem letzten Abend bei Harald tauchen Amis mit großem Gerät auf und schmeißen ihren sch..
Generator an obwohl Strom am Platz ist, eine rücksichtslose Unverschämtheit, gut, dass ich morgen früh abfahre, dass hätte sonst Zoff gegeben.
Ich fahre eine altbekannte Strecke über die verschlafenen Dörfer Yucatans, vorbei an der Ruine von Kabah bis nach Edzna, eine weitere kleine, relativ wenig besuchte Ruinenstätte und frage, ob ich innerhalb des Geländes übernachten darf. Der Nachtwächter verneint, bietet mir aber einen Platz direkt vor dem Zaun an, auch Recht. Die Ruine selbst ist ganz nett und weiter geht es Richtung Grenze bis Tenosique, welches schon relativ nah an der Grenze zu Guatemala liegt. Dort kann ich auf einem Hotelparkplatz übernachten. Nachdem ich am Morgen dank der Sperrung einer Brücke dann doch endlich den Weg zur relativ neuen Grenze von El Ceibo finde, bin ich überrascht, dass hier absolut gar nichts los ist, wie angenehm. Während die Mexikaner in schönen Gebäuden sitzen und absolut nichts von mir wollen, hockt man auf der anderen Seite in Containern, ich behalte das 10 Jahre gültige Permit für Wally, man weiß ja nie, und bin die Einzige, die rüber will. Alles verläuft nach schon bekanntem Schema, so dass ich eine gute Stunde später bereits durch die Bergdörfer in Richtung Süden rolle. So idylisch das hier aussieht, so hart ist das Leben in diesen abgeschiedenen Dörfern wo es viel regnet, somit oft alles im Schlamm versinkt, mühsam Feuerholz gesammelt und sicher auch sehr mühsam die tägliche Nahrung erarbeitet werden muss. Guatemala zählt zu den ärmsten Ländern der Welt, mehr als die Hälfte der 16 Millionen lebt in Armut und bei der Fahrt durch diese Dörfer wird mir mal wieder allzu bewusst, was für ein Glück unsereins hatte, in so etwas nicht hineingeboren worden zu sein.
Mexiko hinterlässt bei mir zwiespältige Gefühle. Die Baja, nach 1997 mein zweiter Besuch, ist und bleibt für mich das Highlight, daneben hat mir Yucatan mit seinen zahllosen schönen Ruinenstätten, dem untouristischen Norden und Landesinnern sehr gut gefallen, auch der einsame, wenig besiedelte Norden mit der Barranca del Cobre sowie die schönen alten Städte. Die Mexikaner selbst sind fantastisch mit einem 1a Sozialverhalten was man auch an ihrem Fahrstil erkennt, der zwar flott ist, jedoch habe ich ihn trotzdem als total unagressiv empfunden, man lässt dem Schnelleren wann immer es geht den Vortritt.
Mit viel Lärm muss man ab Mexiko südwärts nun mal fertig werden, diese bombenartigen Feuerwerkskörper jedoch, waren für mich mehr als grenzwertig, offiziell sind sie wohl sogar verboten, dass hält aber niemanden davon ab sie zu zünden. Die Topes waren mein zweites großes Problem und haben das Fahren sehr unentspannt gemacht, da sie so zahlreich und oft nicht gekennzeichnet waren.
Mein Drang nach Süden ist groß, ich schaffe weit über 200 Kilometer und stehe gut an einem Hotel/Restaurant bevor ich am nächsten Tag bereits auf die Hauptstadt Guatemala City zusteure und direkt mitten durch, was für einen Montag Nachmittag überraschend glatt verläuft. So stehe ich schon am frühen Nachmittag etwas außerhalb über der Stadt bei der Cabana Suiza auf dem Rasen wo man gegen Restaurantbesuch frei stehen darf doch was für eine Enttäuschung, die haben heute Ruhetag.
Am Morgen, der laute Verkehr der nahen sechsspurigen Straße war nicht zu überhören, kann ich dann wenigstens noch ein üppiges schweizer Frühstück im Restaurant genießen. Hier hat man sich offensichtlich auf das wohlhabenere Klientel eingeschossen, dass große Gelände verfügt über Cabanas, eine Kapelle für Hochzeiten und sogar einen Hubschrauberlandeplatz.
Die weitere Strecke verläuft gut ausgebaut bis zum Abzweig Richtung San Pedro de Atitlan, die letzten 20 Kilometer sind durchlöcherte, steile und mit engen Kurven versehene Piste doch dann bin ich endlich am Ziel, dem Gelände von Pasajcap von Franzose Pierre etwas außerhalb des kleinen Örtchens San Marcos.
Ich kann sofort in eines der Lofts ziehen und bin begeistert, da hat sich Pierre richtig Gedanken über die Bedürfnisse seiner Gäste gemacht, vom fantastischen Ausblick ganz zu schweigen. Eine Wohlfühloase die man gar nicht mehr verlassen will. Das Klima auf 1600 Metern ist eine Wucht, perfekt. Die schwierigste Entscheidung des Tages ist, auf welchen der vielen Sitzgelegenheiten man sich rumlümmeln soll, die Hängematte, die Bank , das Sofa oder doch lieber auf einer dick gepolsterten Liege oben auf der Terrasse?
So vergehen die Tage. Leider habe ich nicht die weit im Voraus benötigte Reservierung getätigt und muss über die Wochen öfter rausziehen auf den kleinen Campingplatz.
Guatemala hat 30 Vulkane, der ein oder andere ist sehr aktiv. Auch der Lago de Atitlan ist von einigen eingerahmt und von steilen Bergen was die Bauerei um den See zum Glück sehr einschränkt. Der See ohne Abfluss gilt als ziemlich verschmutzt, hier bei Pierre am Pier sieht er aber absolut klar aus. Ich latsche zum Einkaufen ins Örtchen, fahre mal mit dem Boottaxi ins bei Backpackern beliebte San Pedro und lasse es mir ansonsten einfach gutgehen. Solch ein Plätzchen ist gerade in Mittelamerika nicht selbstverständlich und mein runder Geburtstag steht auch noch an.
Ich lerne die drei coolen amerikanischen Damen aus dem Staat Washington kennen, sie kommen regelmäßig in eines der Appartements und haben hier Kontakte, arbeiten in einer der Krankenstationen.
Sie planen eine Geburtstagsfeier für Amerikaner Paul, der seit 10 Jahren auf der gegenüber liegenden Seite des Sees lebt und laden mich und Pierre dazu ein. Sie fahren richtig auf, Hummer, Shrimps, Fleisch, alles aus der Truhe von Feinschmecker Pierre. Wir erfahren von Paul so einiges aus dem hiesigen Leben und staunen nicht schlecht, dass auch krasse Selbstjustiz nicht so selten ist und der Wasserpegel im See so alle fünfzig Jahre stark ansteigt bzw. fällt, mysteriös, da es keinen Zufluss oder Abfluss gibt.
Ein toller Abend mit absolut interessanten Menschen der gleich noch fast auf den Tag genau meine eigene ein Frau Party ersetzt.
Die Wochen vergehen, im Oktober regnet es noch einige wenige Abende für ein paar Stunden, im November fast gar nicht mehr, einen Abend verirrt sich ein Monster Skorpion in meine Wohnung, ich schaffe es, ihn wieder rauszuschmeissen, sehr gefährlich sind sie nicht aber wer will schon mit sowas sein Bett teilen. Ich wechsle in verschiedene Appartements und staune als Fachfrau die selbst ihr ganzes Leben im selben Business war bzw. ist, immer wieder über Pierres Details. Er beschäftigt zwischen 10 und 20 Leute, je nachdem, was für Projekte anstehen. Er selbst ist der perfekte Gastgeber, spricht fünf Sprachen, immer freundlich, immer da, ich weiß was dahinter steckt 12 Wohnungen in Schuss und die Gäste bei Laune zu halten. So was an einem solch abgelegenen, unzugänglichen See in einem Dritte Welt Land hochzuziehen verdient Respekt, vieles wurde auf kleinen Booten über den See gekarrt, sogar der Bausand. Eigentlich ist Pierre Künstler, Schmuckdesigner, das erklärt, weshalb die Wohnungen so schön sind. Das Business nervt ihn langsam ein wenig, ewig ist was, sei es nervige Gäste, Stromausfall, blöde Nachbarn, die Idee, einmal zu verkaufen ist nicht unrealistisch für ihn, ich kann es nachvollziehen, sehe aber auch Vorteile hier, z.b. klebt einem hier nicht dauernd das Finanzamt oder die Gema an den Hacken.
Die letzten acht Tage verbringe ich in einer seiner schönsten Wohnungen mit eigener Dachterrasse und Garten, doch bevor ich den Hintern überhaupt nicht mehr hoch bekomme, muss ich nun sehen, dass ich wieder in die Gänge komme.
Dieser Ort kam zur richtigen Zeit und war perfekt zum regenerieren und abschalten nach meinem so sportlichen Sommer, ich weiß nicht, wo die Zeit geblieben ist, sage und schreibe sechs Wochen war ich hier, sowas ist auch noch nicht da gewesen.
Ich rumpel also die Piste zurück und begebe mich ins Bergdorf Chichicastenango, kurz Chichi, welches den größten Markt in Guatemala haben soll der zweimal die Woche, Donnerstag und Sonntag stattfindet. Obwohl ich wohlweislich einen Tag früher anreise, wird es teilweise in den Gassen schon ganz schön eng, der Parkplatz des Hotel Maya ist ideal, man steht relativ ruhig und ist sofort mitten im Geschehen.
Der Markt ist riesig, lebendig und beeindruckend, man schiebt sich durch zahllose enge Gassen wo es alles zu kaufen gibt, es gibt eine Fressmeile, eine große Gemüsehalle und einen kleinen Geflügelmarkt der offensichtlich reine Frauensache ist. Die Frauen, fast ausnahmslos in ihre bunten Röcke und Blusen gekleidet wie überall im Hochland, sind eine Augenweide. Auf der Kirchentreppe sitzen sie zwischen üppiger Blumenpracht die zum Verkauf steht, vor der Kirche wird unentwegt Weihrauch geschwenkt. Mittags füllt sich der Markt mit Touristen, ich wandere über den faszinierenden Friedhof der mit seinen bunt bemalten Häuschen und Kreuzen ein eigenes kleines Dorf darstellt.
Einige Mütter auf dem Markt schicken ihre Kleinen zum betteln los, nicht unterstützenswert.
Von Chichi fahre ich vorbei am zur Zeit wieder sehr aktiven Vulkan Fuego den man vom See aus rauchen und auch ein wenig speien sah und bin nach ein paar Stunden in Antigua, einst Hauptstadt des Landes und nach Tikal die am meisten besuchte Touristendestination. Hier darf man bei der Touristen Polizei für umme stehen nachdem man Kopien von Pass und Autoregistrierung abgegeben und die Frage, ob man ein Bad mit Toilette mit „Ja“ beantwortet sowie weitere 12 Regeln durchgelesen hat. Ich komme neben einem VW Bus aus Colorado zum Stehen und erkunde die nächsten drei Tage die Stadt.
Der Platz ist zentral und damit auch laut, ich finde das Städtchen ganz nett, schöne bunt bemalte Häuserzeilen, ein paar nette Geschäfte, alte Kirchen, viele Ausländer die hier immer oder zeitweise leben vermischen sich mit den zahlreichen Touristen, viele nette preiswerte Restaurants. Mein Bedarf an Abgasen und Lärm wird aber deutlich überschritten, auf nach El Salvador!
Ich kurve auf ziemlich durchlöcherter Straße durch die Berge um den Grenzübergang Las Chinamas zu erreichen, eine gute Wahl wie sich am nächsten Morgen rausstellt. Zunächst verlangt man in Guatemala satte 7 Kopien für die Ausreise wogegen man im Nordosten keine einzige wollte. In El Salvador werde ich mit Handschlag begrüßt, alles sehr relaxt hier, keine LKW. Formular ausfüllen und ins Büro wo alles gaaanz langsam geht aber auch seeehr gründlich. Dann noch zur Passkontrolle und nach zwei Stunden werde ich mit Handschlag verabschiedet.
Die Salvadorianer haben so einiges hinter sich. In den Dreißigern gab es ein Massaker an der indigenen Bevölkerung, 30 Tausend Tote und somit quasi ausgelöscht. 14 Familien hatten das Land unter sich aufgeteilt und die Bevölkerung unter der Knute. Von 1980 bis 1991 herrschte Bürgerkrieg, selbstverständlich mit wie immer unrühmlicher Beteiligung der Amis die die Militärdiktatur unterstützten, 70 Tausend Tote. Ein von US Soldaten ausgebildete Anti Guerilla Einheit massakrierte im Dezember ´81 900 Zivilisten, eines der schlimmsten Kriegsverbrechen Lateinamerikas.
Ich kurve über die Ruta de Flores, schaue im beschaulichen Städtchen Ataco vorbei und lande in Juayua wo ich bei einem Hotel unterkomme. Scheint ja alles ganz normal zu sein, obwohl 2015 zum gefährlichsten Land außerhalb von Krisengebieten gekürt, schwer vorstellbar. Der gute Eindruck bleibt erhalten, ich fahre zur Playa Sunzal und finde an der Playa El Zonte einen schönen Platz unter Bäumen im DTakkito Hostel mit nettem Personal und nettem Besitzer. El Salvador ist ein Mekka für Wellenreiter und somit gibt es an den Stränden auch ein wenig internationalen Tourismus. Die Wellen sind wirklich klasse und beim zuschauen von der oberen Terrasse bekomme ich wirklich Lust es selbst zu versuchen, wäre da nicht mein riesen Respekt vor dem Meer und den Wellen. Das sieht echt nach Spaß aus wenn man es beherrscht. Das Wasser ist super warm und am rechten Strand kann man nett schwimmen. Nach fast einer Woche an der Küste und reichlich Fotos von Paco dem stattlichen Iguana den man auch streicheln kann sowie dem Ara Pärchen welches hier ein recht gutes Leben zu führen scheint, möchte ich noch ein kleines Stück nach Westen und dann nach Norden abbiegen.
Als ich am Ende einer Dorfdurchquerung dann die angebliche Straße sehe, die sich als ein Karrenweg entpuppt, drehe ich um und lande doch noch ganz im Westen in der Nähe der Playa El Cuco welches ich eigentlich nicht mehr ansteuern wollte. Der hochgelobte Platz liegt zwar direkt am Strand, gefallen tut er mir trotzdem nicht aber der Strand ist toll. Ich unternehme endlich mal wieder einen langen Strandspaziergang am schwarzen, sauberen Strand. Zwei nette Motorradfahrer aus Montreal sind auch hier, die ersten Überlandfahrer die ich in diesem Land sehe. Auch sie wollen es wie die meisten machen und morgen zwei Grenzen bewältigen und am Abend schon in Nicaragua sein, nein Danke, nichts für mich. Tags darauf beginne ich meinen Weg zurück nach Osten, diesmal auf der 1 weiter nördlich. Als ich mich dem großen Ort San Miguel nähere, sticht mir auf einmal ein alt bekanntes Zeichen in die Augen, ein Wal Mart!! Der kommt gerade Recht, was für ein Fest. Auf stark befahrener Strecke geht es Richtung San Salvador, lang vor der Hauptstadt biege ich nach Norden ab und erreiche am frühen Nachmittag das hübsche kleine Städtchen Suchitoto. Es ist echt nett hier und der große See hat wohl noch einiges an Vogelwelt zu bieten. Der Weg zur Grenze von Honduras am nächsten Tag ist unproblematisch und so verlasse ich nach 8 sehr schönen Tagen das kleinste Land Mittelamerikas mit sehr positivem Eindruck. Die Menschen waren äußerst nett, fleißig und aufgeschlossen. Polizei und Militär war so gut wie nicht sichtbar. Tatsächlich habe ich nur einmal auf einem richtig unzugänglichen, verschlossenen Grundstück genächtigt, von bewaffneten Wachleuten ganz zu schweigen, einfach deshalb, weil alles friedlich ist. Das hauptsächliche Problem der Länder Mittelamerikas sind die Maras, Gangs, die aber überwiegend in größeren Städten operieren und sich gegenseitig bekämpfen, daraus ergibt sich dann die hohe Mordrate. Somit führt solch eine Statistik schnell mal zu einem sehr verzerrten Bild. El Salvador und seine Bewohner haben diesen schlechten Ruf nicht verdient.