Auf dem Pacific Crest Trail im April, Mai, Juni 2016 - Blog-

11.04. Warner Springs, Meile 110: Die erste Woche liegt hinter mir, der erste schlimme Muskelkater ist überstanden, alles bestens! Nur die ersten paar Tage ging es durch 25 bis 30 Grad warme Wüste, dann bewegte ich mich nur noch auf 1000 bis 1200 Metern mit Regen, Wind und 10 bis 12 Grad, auch das ist Süd Kalifornien. Bisher absolut keine Probleme, ich liebe den Trail, die Leute. Meinen  neuen Rucksack liebe ich so sehr, dass ich jede Nacht meinen Kopf darauf bette. In vier bis fünf Tagen erreiche ich eine grössere  Ansiedlung, dann mehr über die ersten Tage auf dem Trail!

15.04. Idyllwild, Meile 180, Tag 1 bis 11, Nachdem ich den frühen Bus nach Campo knapp verpasse, und zweieinhalb Stunden auf dem Busbahnhof hocke, trudeln dann Mittags drei weitere Hiker ein. In Campo fährt uns Blue Jay, die selbst in zwei Tagen startet, zum Monument so dass wir den Weg nicht doppelt laufen müssen. Die anderen, alles Einzel Wanderer sind schnell außer Sicht, ich habe damit zu kämpfen, mich an das schwere Gewicht des Rucksacks zu gewöhnen welcher neben einer Woche Essen auch fünfeinhalb Liter Wasser für die nächsten zwanzig Meilen enthält. Ich will es bewusst langsam angehen, um eine Überbelastung zu vermeiden, finde dann aber keine geeignete Übernachtungmöglichkeit und schlage das Zelt direkt am Weg auf. Weiter geht es durch die mir so wohl bekannte mit Felsen und grünen Büschen bestandene Wüste bis ich schon Mittags den Lake Morena Campground erreiche. Die Nacht war sehr kalt, wohl fast Null und morgens braucht man Handschuhe bis die Sonne endlich über den Horizont kommt. Später fängt es an zu regnen und ich steige langsam höher. In Mount Laguna stoppt jeder am Restaurant und viele bleiben über Nacht denn die Besitzer lassen die Hiker im Haus auf dem Boden schlafen.

Der hervorragend sortierte Outfitter Laden hat auf kleinstem Raum alles zu bieten und reichlich Schuhe und anderes Zeug geht über den Ladentisch, da viele Fußprobleme haben und so einiges auswechseln.

Der Mt. Laguna Campground ist alles andere als Hikerfreundlich und will 23,- Dollar. Zum Glueck tauchen noch Lydia und Anthony auf, so dass wir uns die Gebühr teilen können. Es regnet immer weiter und ist kalt, wir verlegen unsere Abendessen Zubereitung unter das Dach des Klos.

Am Morgen wird einmal mehr das Zelt klatschnass eingepackt und wir laufen den ganzen Tag zu Dritt über windige Höhen und halten nur einmal zur Mittagspause an da man sehr schnell auskühlt. Am späten Nachmittag geht es zum Glück abwärts und ein schönes Camp erwartet uns. Ein anstrengender Tag mit immerhin 16 Meilen auf dem Tacho.

Am nächsten Tag sehen wir uns immer wieder in Abständen, letztlich kocht beim Laufen jeder sein eigenes Süppchen, es ist wirklich der Trail der Single Wanderer mit ungewöhnlich hohem Frauen Anteil, da falle ich überhaupt nicht auf, während der letzten Jahre mit dem Auto mir keine einzige allein reisende Frau über den Weg lief.

Bei Meile 77 ein Water Cache aus Plastikflaschen. Während es manche vorziehen hier im fiesen Wind unter der Brücke zu übernachten, steige ich noch einmal hoch und finde einen windgeschützten Platz in einem Wash und hoffe, dass es nicht anfängt zu regnen und ich mitten in der Nacht daraus flüchten muss.

Tags darauf treffe ich niemand Bekanntes, die sind sicher alle nach Julian, 12 Meilen entfernt getrampt. Am Water Cache bei Meile 91 mit Paletten voll Wasser, mühsam über schlechte Pisten her gekarrt, taucht der Freund einer Hikerin auf und verteilt lecker Kekse und Cola.

Am achten Tag erreiche ich Warner Springs, ein ganz kleines Kaff wo sich das Community Centre rührend um die Hiker kümmert, entgegen deren Aussage der Laden aber der totale Reinfall ist. In den Hiker Boxen, wo Wanderer Zeug deponieren was sie nicht mehr wollen, finde ich zum Glück Haferflocken und Nüsse. Da mir der Brennstoff ausgeht, ist guter Rat teuer. Nudeln habe ich noch genug für die kommenden Tage, ich muss mindestens noch vier überstehen bis Idyllwild aber die Nudeln mueßten schon gekocht werden. Eine Meile entlang der Strasse gibt es ein Resort das Pizza verkauft. Ich verschätze mich etwas mit der Grösse und werde von der Managerin im strömenden Regen mit drei großen Pizza Kartons zurück gefahren. Als ich den Raum betrete, heften sich alle Augen begierig auf die Kartons denen ein verlockender Duft entströmt und ich muss erklären, dass ich keine Party schmeiße sondern die Mafia Torten mein Überleben sichern sollen. Meinen Trail Namen habe ich nun auch, Pizza Woman.

Am Tag darauf ist schönes Wetter in Sicht, wunderschön setzt sich der Weg in die Berge fort, immer am Hang entlang. Das Erlebnis ist etwas getrübt, ich verspüre Schmerzen in der Ferse und hoffe mal, dass es sich wieder beruhigt. Am Morgen ist es schlimmer, läuft sich aber über den Tag wieder ein, meine Pizza Diät ist praktisch, Zelt aufbauen, rein setzen und Pizza mampfen, kein lästiges hantieren mehr mit Kocher, allerdings auch kein Tee.

Tag 10 endet in einem Canyon und ich packe nach Ewigkeiten morgens ein komplett trockenes Zelt ein, leider kann ich auch kaum noch auftreten.

Ich schleppe mich weiter und setze mich bald mal unter Schmerzmittel, damit habe ich nicht gerechnet, doch die Wasserschlepperei ist wohl nicht ohne Konsequenzen geblieben. 

Nun sitze ich im hübschen Bergdorf auf 2000 Metern in Idyllwild und bin ausgeknockt, typischer Fall von Überbelastung, ich hoffe, den Trail bald fortsetzen zu können, Zeit ist genug vorhanden, denn die Sierra ist frühestens in zwei Monaten zu betreten, es gab dort dieses Jahr ausgiebige Schneefälle. Ich fühle mich absolut fit und könnte sofort weiter rennen zumal ich nach dreißig Jahren endlich den passenden Rucksack gefunden habe der mir keine schmerzenden Schlüßelbeine und blau gefärbte Hüften mehr verursacht.

Viele Grüsse aus den kalifornischen Bergen!

 

 

 

26.04. Idyllwild, Meile 180, Tag 23: Schmerz lass nach! Im Bergstädtchen sitze ich nun seit fast zwei Wochen. Da ich kaum noch laufen konnte, hatte ich keine Wahl. Die erste Woche ist insofern zermürbend, weil keine Besserung eintritt, doch nun tut sich was. Irgendwann räume ich meine schöne Cabin und ziehe auf den State Park zu den anderen Wanderern. Mit einer dicken Sehnenentzündung habe ich nicht gerechnet, Probleme am Bewegungsapparat sind mir fremd. Nichts kann einen auf eine Langzeitwanderung vorbereiten, man weiß einfach im Vorfeld nicht, wie der Körper die Dauerbelastung wegsteckt. Sehr viele Wanderer haben Probleme, doch trösten tut mich das auch nicht. Jeder der hier einläuft, realisiert langsam, auf was er sich eingelassen hat. Vieles geht mir durch den Kopf aber vor allem eins, ich will nicht aufgeben! War es ein Fehler, den Wagen nicht wieder zurück zu fahren? Irgendwie schon, kommt darauf an, wie das hier letztlich ausgeht. Habe ich mir wirklich eingebildet, einfach so ohne Probleme nach Kanada hochzuflitzen? Irgendwie schon, think positiv! Was solls, ich habe wieder Hoffnung und werde mich Übermorgen auf den Weg nach Big Bear City machen, da es hier sehr steil hoch und wieder runter geht und außerdem im weiteren Verlauf ein großes Teilstück des Trails wegen eines letzjährigen Feuers gesperrt ist und alle sowieso mit dem Auto weiter müssen, setze ich dort wieder an. Drückt mir die Daumen! Gestern Abend hat es übrigens geschneit mit Frost über Nacht, Kalifornien ist vielfältig.

05.05. Tag 32, Meile 370, so ungefähr, Wrightwood, back on Track. Die letzten sechs Tage verliefen zwischen Hoffen und Bangen, was macht der Fuß? Den ganzen Tag horche ich auf nichts anderes, denn er entscheidet über Top oder Flop. Ich laufe über windige Höhen, Hitze und durch wunderbaren südcalifornischen  Wald und steige bis auf 2500 Meter nach einem dringend benötigtem Zwischenstopp am MC Donalds direkt am Highway, der Trail ist schon irgendwie strange, cool, anders. Schwer zu beschreiben, wie glücklich ich bin, hier im Kaff schmerzfrei einzulaufen. Ich stocke meinen leeren Rucksack auf für die nächsten sechs Tage im einzigen bestens sortierten Laden und ziehe die Klamotten einmal durchs Wasser plus die dringendst benötigte Dusche.

 

 

 

 

Acton, 12.05, Meile 444, Tag 33 bis 39. Nachdem schlechtes Wetter angesagt war, legte ich noch einen Zero Day in Wrightwood ein, nur um am folgenden Tag doch noch in die Ausläufer zu geraten. Es geht wieder bergauf in die Berge bis auf 3000 Meter, Schneefelder, Nebel und Kälte machen den Aufstieg nicht zum Vergnügen. Vom Baden Powell schaut man in Nebelsuppe, die Nadelbäume sind mit einer dicken Schnee\Eisschicht überzogen, nichts wie weg hier.

Doch auch die kommenden Tage bleibe ich hoch und schlafe in sämtlichen Klamotten. Gut, dass ich doch noch die Handschuhe eingepackt hatte. Ich treffe die super netten Jungs Kem und Brad und wir haben einen netten Abend am Feuer welches sie unter viel Mühe Zugange bringen. Wir alle wollen nur schnell raus aus den Bergen, der Wunsch wird bald erfüllt, nun geht es über endlose Serpentinen am Hang lang, rauf und runter in über vierzig Grad Hitze. Das waren anstrengende Tage unter extremen klimatischen Bedingungen.

Mojave, 22.05. Meile 558, Tag 40 bis 48. Die zehn Meilen vom KOA Campground ziehen sich durch die Hitze und endlose Serpentinen. Da ich einen fiesen Druckschmerz im vorderen Schienbein habe, der sich bis in den Fuß zieht, bin ich ziemlich fertig und glücklich, als mich ein Trail Angel kurz vor Agua Dulce aufliest, mir einen eiskalten Eistee in die Hand drückt, zum gut sortierten Laden fährt und dann noch die Meile zum Hiker Heaven, einer von Donna und Jeff Saufley seit 18 Jahren betriebenen Institution wo man in deren Garten zwischen Haus, Pferdepadock und Hühnerstall das Zelt aufstellen darf. Es gibt eine Dusche, bei bis zu 80 Hikern manchmal etwas knapp, weshalb man sich auf einer Liste einträgt, Wäsche wird gewaschen und sogar eine Küche, Internet und Fernsehen stehen zur Verfügung, einfach Wahnsinn was sie hier mit ein paar Helfern leisten. Jeden Tag gibt es heiß begehrte Fahrten zum Outdoorladen und mich fährt man zur Apotheke. Dr. Claudia hat zusammen mit Tante Google eine starke Muskel Überdehnung diagnostiziert, deshalb lege ich mal wieder Eis auf und letztlich drei Zero Days ein.

Ein wenig Besserung muss reichen, ich werfe Schmerzpillen ein, schmiere Salbe drauf und dann geht es den Berg hoch. Auf der anderen Seite läuft man durch blühende Landschaft, alles ist herrlich grün, was für ein Genuss. Mein Wassermanagement ist nicht das Beste in letzter Zeit. Durch Unaufmerksamkeit verpasse ich die einzige Wasserquelle wie ich viel zu spät beim Mittagsstop feststelle, das könnten nun harte 17 Meilen werden. 50 Meter weiter quere ich eine Strasse und dahinter, ich glaube es nicht, hat ein Trail Angel ein Wasser Cache angelegt der reichlich Wasser enthält, Schwein gehabt.

Ich schaffe es nicht mehr zur Feuerwehr und gehe am Morgen um halb sechs los, da ich mal wieder kaum Wasser übrig habe. Die sechs Meilen sind schnell gemacht, dann erwartet mich ein Fire closure, der Trail ist für 15 Meilen gesperrt und alle müssen über die Strasse. Ich laufe drei Meilen, dann habe ich die Nase voll, Daumen raus, das erste Auto hält, setzt mich am Laden ab wo ich mir schnell ne Cola reinziehe. Nun gibt es kaum noch Verkehr, ich laufe aus dem Örtchen, Daumen raus, das erste Auto hält, mittlerweile würde ich mein Hitchhiking Glück schon als legendär bezeichnen.Die Strecke ist gesäumt von Daumen reckenden Hikern aber der kleine Jeep ist voll und kommt direkt am Trailhead zum Stehen. Da ich hier wider Erwarten kein Wasser finde, laufe ich zum Sawmill Campground wo es sich als ziemlich mühsam rausstellt an das brakige Regenwasser zu kommen, auch muss ich einige unerwünschte Tierchen raus fischen. Nach dieser Aktion habe ich eigentlich keine Lust mehr und mache um vier Uhr Feierabend was sich als super Idee rausstellt, denn zwei Stunden später kommen meine lieben Hiker Kollegen Kem und Brad um die Ecke und Kem verkündet, dass sein Vater kommt um Tacos zu machen. Zehn Minuten später ist er da, schmeißt den riesen Gasgrill vom Truck und fängt an massenhaft Fleisch zu grillen. Da ich schon gegessen habe, bleibt reichlich für die Jungs die einen unglaublichen Appetit haben. Für mich fällt  leckeres Pumpkin Bier ab, wie geil ist das denn?

Am kommenden Tag geht es über herrliche mit hohem Gras und alten Bäumen bestandene, schattige Höhen. Wir treffen eine andere Art von Trail Angeln. Die beiden Männer reiten mit Pferd und Mulis den Trail ab und legen Hand und Säge an wo es nötig ist. Ich steige hinunter in die Wüste und erreiche Hikertown, ein schlampig geführtes großes Grundstück aus dem man mehr machen könnte, dem müden Hiker aber eine Unterkunft in einem Container oder anderer Bude für zehn Dollar bietet sowie eine Dusche, alles unter recht fragwürdigen hygienischen Umständen aber was solls, immerhin ein geschütztes Plätzchen vor dem allgegenwärtigen starken Wüstenwind. Mein Bein hat sich inzwischen stark gebessert, weiter geht es durch die flache, windige Mojave Wüste. Normalerweise brüllend heiß, präsentiert sie sich die kommenden Tage frisch bis frostig, was für ein Glück. Durch einen riesen Windpark geht es hinauf in den Tylerhorse Canyon, wo ein munteres Bächlein und damit die einzige Wasserquelle weit und breit fließt. Nachts geht es an die Frostgrenze und es pfeifen Böen in Sturmstärke durch den Canyon so das ich anstatt zu schlafen das Zelt gegen halten muss. Nach weiteren siebzehn Meilen ist die Strasse erreicht, vorher gibt es noch einen Stop wo uns mitten im Nichts Trailangel mit Spagetti, Wasser, Bier und OBST verwöhnen, unglaublich. Mojave oder Tehachapi, beides fast gleich weit, eines nach rechts, eines nach links. Obwohl jeder Tehachapi empfiehlt entscheide ich mich nach Mojave zu trampen denn dort gibt es ein Motel 6 mit einem guten Supermarkt gleich gegenüber, schließlich will ich in meiner knappen Freizeit nicht noch Meilen zwischen diesen beiden wichtigen Orten zurücklegen. Ich stehe schon eine halbe Stunde, das wäre es dann mit dem Glück, ein weiterer Hiker kommt und wir stehen nochmal eine halbe Stunde bis uns ein Trail Angel sieht und hin fährt. Unterwegs nehmen wir noch einen sichtlich erleichterten Franzosen auf, der bereits eineinhalb Stunden gelatscht ist. Hier ist ein Zero Day fällig, die nächste Etappe wird keine leichte, Berge und 42 lustige Meilen ohne  Wasser, ich liebe den Trail!

Lone Pine, 31.05, Meile 702, Tag 50 bis 58, nach dem Start am Highway 58 geht es wieder stetig bergan wobei der Wind hier oben patagonische Ausmasse annimmt und einen fast umhaut. Ich hatte für sieben Tage Essen eingepackt und eigentlich geplant, am Walker Pass zu einem kleinen Laden zu trampen. Über Nacht überlege ich es mir anders und beschließe stattdessen, auf zwanzig Meilen Tagespensum zu erhöhen um den Trail nicht verlassen zu müssen. Tags darauf ist es nebelig, feucht, kalt und unangenehm, Wasser fassen und weiter rennen heißt das Motto. Mittlerweile habe ich erfahren, dass auf dem 42 Meilen langen wasserlosen Stück zwei inoffizielle Water Caches sind, ich verlasse mich aber trotzdem nicht darauf, doch unten an der Kelso Road gibt es tatsächlich Wasserkanister. Ich schütte nochmal einen dreiviertel Liter in mich hinein und eier mit fünf schweren Litern durch die mal ungewohnt herrlich flache aber heiße Mojave Wüste und begegne am Abend beim bergauf hecheln meiner ersten Klapperschlange nachdem ich bereits so manch anderer ohne Klapper begegnet bin. Tags darauf sehe ich den zweiten Water Cache an einer Jeep Road, die Trail Angel lassen einen nicht im Stich. Mittlerweile wird das Essen knapp und Hunger macht sich breit obwohl ich unterwegs Kartoffelpüree von einem Hiker geschenkt bekomme. Weiter geht es rauf und runter bis ich Walker Pass Campground am Highway erreiche. Trail Angel haben Wasser und Lebensmittel deponiert und nachdem ich auch noch ein Bier finde, hat sich das heute mit weiter laufen erledigt. Ein älterer Herr kommt und bietet uns Camping, Dusche und Essen an seinem Haus zwei Meilen entfernt, doch ich bleibe standhaft, denn morgen geht es wieder früh los.

Ich erreiche nach einem weiteren Tag eine  Gravel Road die zum Chimney Campground führt und finde eine Memorial Day Einladung an alle Hiker doch vorbei zu schauen. Zehn mit Hamburgern und Bier abgefüllte sitzen schon hier als ich mittags eintreffe. Ich muss meine ansonsten fleischlose Ernährung aus überlebenstechnischen Gründen mal kurzfristig unter den Tisch fallen lassen und stopfe zwei Hamburger in mich rein, lehne jedoch standhaft Bier und Gin Tonic ab, da ich noch ein Stück weiter will. Außer mir schafft das nur noch einer, alle andere bleiben über Nacht hängen, denn abends gibt es Steaks.

Nach siebeneinhalb Tagen und 140 anstrengenden aber schönen Meilen erreiche ich Kennedy Meadows, eine Ansiedlung mit zwanzig bis zweihundert Bewohnern und einem General Store. Jeder Hiker der hier ein läuft, wird von den anderen beklatscht. Über 700 Meilen, das offizielle Ende der Wüstenstrecke und hoffentlich auch Wasserknappheit, ein Etappensieg!

Unter Wüstenetappe habe ich mir allerdings was anderes vorgestellt. Tatsächlich ging es zu mindestens 80 Prozent durch Berge, Pinienwälder und über Höhenzüge auf 1500 bis 1800 Metern, was man bereits an Höhenmetern hinter sich hat, ist enorm und nun liegen erst die richtigen Berge  der Kings Canyon und Yosemite Wildnis vor mir, eine der schönsten Etappen. Doch ich habe Angst vor Schnee und Kälte und beschließe, auf meinen Alternativplan zurück zu greifen.

 

 

20.06, Chester, Meile 1733 bis 1653 und Meile 1498 bis 1328, während die meisten Hiker sich Pakete mit Spikes und Eisäxten nach Kennedy Meadows geschickt haben und sich auf den Weitermarsch vorbereiten, läuft es mir schon beim Anblick dieser Gerätschaften eiskalt den Rücken runter. Nicht ums verrecken kriegt mich einer auf weit über 3000 Meter. Schon am kommenden Morgen bekomme ich von den Eltern des Storebesitzers einen Ride zum Highway. Von dort muss ich über 40 Meilen nach Lone Pine trampen, ich finde es ziemlich unangenehm am Highway zu stehen, bekomme aber nach 40 Minuten eine gute Mitfahrgelegenheit. Ich quartiere mich ins Hostel ein und studiere ausführlich die Schneelage auf dem Trail. Während es in den letzten Jahren sehr wenig Schnee gab und alle Wanderer einfach durchlaufen konnten, hat speziell die nördliche Sierra aber auch Washington ein heftiges Schnee Jahr gehabt. Gut für das Dürre geplagte Kalifornien, schlecht für uns Wanderer. Ich beschließe, eine Marathon Busfahrt nach Ashland, Oregon zu unternehmen und von dort soweit wie möglich nach Süden zurück zu laufen. Nach 14 Stunden lande ich um halb drei morgens auf der verlassenen Greyhoundstation von Medford und mache mich mit dem ersten Büchsenlicht auf zum Starbucks und stopfe anschließend den Rucksack im gegenüber liegenden Walmart voll. Danach geht es noch schnell zum Rei Outdoorstore, ein Griff ins Regal und ich habe wieder meine geliebten Merrells an den Füssen, die alten haben über 1000 Meilen mitgemacht und die Sohlen sehen immer noch wie neu aus. Ich fahre mit dem Bus ins hübsche Ashland wo gerade eine Hitzewelle einrollt und packe zwei Päckchen zur Folgeversorgung. Der Trail ist schon mit sehr viel Organisationsaufwand verbunden. Mittlerweile Hitchhikingprofi, laufe ich mit einem PCT Schildchen in der Hand  raus aus der Stadt und bekomme schon bald von einem Mountainbiker einen Ride direkt zum Trailhead. On Trail again, ab jetzt wird rückwärts gezählt. Wunderschöner grüner, üppiger Wald mit Wildblumen erfreut mein Auge und soviel Wasser wie ich hier in zwei Tagen fließen sehe, habe ich in Kalifornien die ganzen Wochen nicht gesehen. Einige Schneereste versperren mir den Weg, es wird einsam und ich habe den Trail für mich allein nachdem ich die Tageswanderer hinter mir gelassen habe. Am folgenden Morgen erreiche ich einen Steilhang, noch tief verschneit. Damit habe ich nicht gerechnet, fluchend bastel ich mir Stufen in den Hang und versuche, den Verlauf des Trails nicht zu verlieren. Kaum ist das über standen, ich erfreute mich der üppigen Wildblumenpracht, komme ich in einen schattigen Wald wo ich meinen Augen nicht traue, der Schnee liegt Meterhoch, irgendwo darunter ist der Trail vergraben. Ich mühe mich einen steilen Berg hoch und peile anhand meines super Orientierungssinns und des GPS so ungefähr den Trail an und oh Wunder, stehe auf einmal wieder drauf. Doch das war es noch lange nicht, eine weitere halbe Meile Schnee folgt, Trail nicht sichtbar, weiteres Steilhanggehangel, Jubel, als mir mein GPS auf der anderen Seite anzeigt, das ich ganz nah bin, geschafft, fürs Erste. Mutterseelenallein im großen Wald steige ich dem Himmel sei Dank erstmal wieder ab und erreiche die Kalifornische und Oregon Grenze und sehe im Trail Register, dass heute Wanderer durch genommen  sind. Tatsächlich renne ich am folgenden Nachmittag in die Dreiergruppe, Überraschung auf beiden Seiten. Die hatten dieselbe Idee wie ich, später kommt noch ein Asiate vorbei, ebenfalls in Ashland gestartet.

Den Abend zuvor laufe ich wieder auf 2000 Meter um im Wald auf gewaltige Schneemengen zu treffen. Ich campiere direkt davor und verschiebe das Problem auf morgen. Mittlerweile kann ich meine neue App benutzen die mir genau anzeigt, wo sich der Trail befindet aber regelmäßig abstürzt und die Batterie leer frisst. Solange ich noch aus eigener Orientierung zurück finde, ist alles in Ordnung. Ich kämpfe mich also über meterhohen Schnee und kann zum Glück einiges auf einer Piste umgehen. Der steile Weg hinunter nach Seid Valley wird überhaupt nicht mehr gepflegt und man muss mühsam über umgestürzte Bäume klettern.

Ich treffe auf andere Wanderer die von Süden kommen und von viel Schnee an steilen Hängen berichten. So ein Mist, damit will ich nichts mehr zu tun haben, wenn man da abrutscht, kann das böse Folgen haben. Zähneknirschend beschließe ich am Morgen nach Castella zu fahren und dort wieder anzusetzen und die 160 Meilen auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben. Morgens teilt mir der Store Besitzer mit, dass der Bus nicht fährt, super, dann kann ich meinen Anschluss in Yreka auch vergessen. Ich laufe mit Schildchen in der Hand raus, stehe noch nicht richtig, ein Auto bremst, dreht um und schon habe ich meinen Ride ins über 40 Meilen entfernte Yreka. Sie, mit Red Bull Dose in der Hand, fährt einen sehr flotten Stil durch die engen Kurven. Er ist stark schwerhörig und legt eine CD mit Rockmusik ein, dreht voll auf, zum Glück hat er einen sehr guten Geschmack. So rocken wir in Schallgeschwindigkeit auf der engen Strasse nach Yreka wo ich sogar noch meinen Anschluss bekomme.

Claudia wieder allein im Wald, ich liebe es. Hier ist es viel einsamer und abgelegener als in Südkalifornien. Stille Tage und extrem ruhige Nächte, nicht mal ein Flugzeug am Himmel stört die Idylle. Viel weniger Strassen und Pisten, man kommt sich sehr weit weg von allem vor. Viel zu gewachsener Trail, viele Mosquitos, viel Wald. Ab und an kommt mir dann doch mal einer entgegen und wird ausführlich über die Schnee Situation befragt. Mount Shasta dominiert die Gegend. Ich komme um eine Kurve und sehe was großes schwarzes aufspringen, ein kapitaler Schwarzbär hat es sich auf dem Trail gemütlich gemacht. Er springt auf und rennt in einer Affengeschwindigkeit in die Gegenrichtung während ich ihm hinterher johle, hole aber dann doch mal meine Bären Klingel und die Trillerpfeife aus dem Rucksack. Nach viereinhalb Tagen erreiche ich Burney Falls mit netten Camground für fünf Dollar und treffe ein paar weitere Hiker. Die Storys von den Steilhängen hören sich nicht gut an, ich bin froh, diesen Teil vorerst umfahren zu haben.

Die Wasserfälle von Burney Falls sind nett, der Platz ziemlich voll, die Ferien haben begonnen. Uns hat man ganz hinten in eine Ecke gepackt, es ist aber sehr schön dort, heiße Dusche gibt es auch und in der Hikerbox finde ich jede Menge Essen, den Rest gibt es im hiesigen Store, somit kann ich mir den Weg nach Burney selbst sparen. Ich befinde mich nun im Lassen National Park und die letzten Tage war eher mühsames Laufen über Lava. Nun fliege ich geradezu über herrlich flachen Waldboden ohne Hindernisse , was für ein Genuss. Weiter geht es über Old  Station, der Laden hat für unsereins leider nicht viel zu bieten und dann wieder höher hinauf. Nachmittags, nachdem ich mal wieder ausführlich die Lage mit entgegen kommenden Hikern diskutierte, sie haben wegen zuviel Schnee abbrechen müssen, halten sie mir Fotos von angeschwollenen Flüssen unter die Nase, tja, nächstes Problem. Während ich höher steige, fängt es an zu regnen und wird auch nicht mehr bis zum Morgen aufhören. Ich laufe an diesem Tag 24 Meilen bis ich eine Campstelle finde, Rekord. Auch das Aufstellen des Zeltes geht Rekord verdächtig schnell, trotzdem ist der Boden klatschnass, es geht an die Frostgrenze, morgens schneit es. Die schlimmste Nacht auf dem Trail bisher, mit steif gefrorenen Fingern ziehe ich die klatschnassen, kalten Socken an und packe das triefende Zelt ein, Bewegung ist angesagt sonst droht Unterkühlung. Drei Creeks sind noch im Weg, wobei einer zum Fluss angeschwollen ist, ich unterschätzte die Strömung, verhalte mich wie ein Anfänger und liege fast drin. Auf der anderen Seite wringe ich mal wieder die Socken aus, die Sonne kommt zum Glück langsam durch. Ich treffe auf mehrere Hiker die die Sierra bezwungen haben und nun die Hälfte geschafft haben, ich bin neidisch, immerhin stehe ich aber kurz vor dem 1000 Meilen Etappensieg. Ich steige ab zur Drakesbad Guest Ranch wo Hiker sehr willkommen sind. Morgens denkt man noch, Hände und Füsse fallen gleich ab, mittags erfreut man sich am hervorragenden Buffet, sitzt in der Sonne und beobachtet eine ganz merkwürdige Spezies die hier Urlaub macht und total sauber, gepflegt und übererrnährt aussieht. Es ist tatsächlich oft, dass ich mir nach Tagen da draußen wie ein Alien vorkomme, der mal kurz in einem anderen Universum vorbeischaut. Ich will noch ein paar Meilen machen, keine gute Idee mit vollem Magen. Nach einer Stunde Aufstieg ist die Überraschung groß, ich renne in Blue Jay, die uns in Campo zum Trail fuhr und die ich später noch ein paar mal sah. Sie hat eine schwere Entscheidung getroffen den Trail nicht komplett dieses Jahr wegen der Schneelage zu laufen und ist für sechs Wochen Zuhause gewesen, Traum vom Thru Hike geplatzt aber weise. Ich finde einen schönen Platz zum Zelt trocknen mit Blick auf den verschneiten Mount Lassen und renne noch bis halb acht weiter, kochen muss ich ja heute nicht. Noch lockere zehn Meilen am Morgen und ich erreiche die Strasse die nach Chester führt, mache erstmal gemütlich Mittag, zwei Spaziergänger führen ihren Dackel aus und nehmen mich selbst verständlich mit nach Chester, passt, wie fast immer. Dank des Tipps eines Schweizers, finden wir die Kirche die Hiker im Garten zelten lässt, es gibt natürlich eine Hikerbox und duschen kann man im Waschsalon. Slim und Jäger sind die einzigen Wanderer und wir machen uns einen netten Abend auf der großen Veranda. Das nenne ich mal volksnahe Kirche. Ich mache zwei Zero Days, der Holiday Market nebenan lässt einen die Augen überquellen. Morgen geht es weiter auf Südkurs, ich hoffe noch 180 Meilen machen zu können bis ich auf wirklich viel Schnee treffe.